Verlosung: Es ist keine Revolution zu erwarten
Als Vater in Elternzeit streife ich natürlich durchs Netz, immer auf der Suche nach interessanten Artikeln von anderen Eltern über Kinderkrankheiten, Breikost und natürlich Eltern-Kind-Beziehung. Dabei möchte ich nicht nur meinen Horizont erweitern, sondern auch andere Eltern und deren Beziehungsmodelle kennenlernen. Gerade zur Adventszeit stoße ich dabei vermehrt auf Artikel, die mir nicht gefallen. Dieses Mal geht es um Werbung.
Kurz nachdem ich diesen Blog bei Brigitte Mom angemeldet hatte, bekam ich eine Mail von einer Kommunikationsagentur. Ob ich nicht Lust hätte, ein Buch in einem Adventskalender zu verlosen. Natürlich sollte ich das Buch in einem Artikel positiv bewerten. Einen Termin für die Veröffentlichung hätten sie auch schon für mich. Das nennt man Advertorial mit Verlosung. Auf diese Art von Beiträgen treffe ich auf anderen Blogs gerade in der Adventszeit vermehrt. Vor allem Blogger_innen scheinen eine geeignete Zielgruppe dieser Form von Werbung zu sein. Denn nichts anderes ist es. Es geht um Werbung und vermeintlichen Win-Win-Situationen.
Der Blogger berichtet am besten prositiv über das Produkt und verlost es anschließend. User_innen nehmen am Gewinnspiel teil und werden aktiviert, auch am nächsten Tag an weiteren Verlosungen teilzunehmen. Womöglich teilen sie die Aktion noch über soziale Netzwerke. Die Klickraten des Blogs steigen, mögliche Mehreinnahmen über Werbeanzeigen sind die Folge. Das Blog wird attraktiv für weitere Werbekunden. Gleichzeitig bleibt das vorgestellte Produkt in positiver Erinnerung. Immerhin hat das Lieblingsblog darüber berichtet.
Was hier passiert hat nichts mehr mit dem eigentlichen Sinn eines Blogs zu tun. In meinen Augen sollte ein Blog über die persönlichen Erfahrungen, in meinem Fall das Vatersein, berichten. Bei einem Streifzug durch die Top 10 der Brigitte Mom Redaktion zeigt sich, dass jeder Blog mindestens eine Verlosung macht. Egal ob bei anyworkingmom.com, Essential Unfairness, nordhessenmami.de, kiko-slevents.de oder sogar bei meinem Lieblingsblog von Frau Mierau und Ich bin dein Vater.
Erst neulich auf einer Tagung über die gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen in der Jugendkultur habe ich kontrovers mit Kollegen darüber diskutiert. Die Sinus Studie hat in einer qualitativen Sozialstudie unter anderem das Konsumverhalten von Jugendlichen untersucht. Ergebnis: Die Jugendlichen sind im Mainstream angekommen und wollen konsumieren. Anders als die 1968er Generation, die sich gegen das Esteblishment aufgelehnt hat, wollen Jugendliche heute dazugehören. Sie eifern ihren Eltern nach und rebellieren nicht mehr.
Ein Kollege hat die Ergebnisse der Sinus-Studie treffend zusammengefasst: „Es ist keine Revolution zu erwarten.“
Was hat das jetzt mit Eltern zu tun, die Advertorials und Verlosungen bloggen? Als Multiplikatoren fördern sie den Mainstream im Netz, transportieren also seine Message in soziale Netzwerke hinein und stützen die gesellschaftliche Entwicklung. Kritische Auseinandersetzung findet nicht statt, zumindest nicht im Netz. Es werden Angebote (Advertorials, Werbung, Anreiz zum Konsum) gemacht, die ihre Zielgruppe findet. Nach innen, also in die Familie hinein, kann die (Gesellschafts-, Medien-, Konsum-)Kritik zwar stattfinden, doch wird sie nicht ins Netz transportiert. Wie gesagt, die Aufgabe eines Blogs sehe ich eben nicht darin, Konsum zu fördern, sondern über das Eltern-sein zu bloggen. Ob witzig, naiv, ernst oder eben kritisch spielt dabei keine Rolle. Der Kommunikationsagentur habe ich dankend abgesagt.
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