Mental Load – Die unsichtbare Arbeit im Haushalt

Sicherlich kennst du die Geschichte der Heinzelmännchen zu Köln. In der Grundschule mussten wir das Gedicht von August Kopisch auswendig lernen und bekamen zur Belohnung 5 DM von unserer Lehrerin. Die einzige Bedingung: wir mussten es fehlerfrei schaffen. Die Heinzelmännchen verrichteten jede Nacht, wenn alle Bürger*innen von Köln schliefen, die liegengebliebene Arbeit. Sie zimmerten Häuser, buken das Brot oder „schwefelten fein, alle Fässer ein“.  So verrichteten die Heinzelmännchen das Tagewerk unentdeckt und zur Freude der Bürger*innen. Aber was hat das jetzt mit Mental Load zu tun?

Die unsichtbare Arbeit

Genau so unsichtbar, wie die Arbeit der Heinzelmännchen, ist Mental Load. Darunter verstehe ich in erster Linie Arbeit, die im Kopf stattfindet. Übersetzt heißt Mental Load in etwa »Denkarbeit«. Im Alltag muss an so vieles gedacht, organisiert und geplant werden. Die Wäsche wandert nicht von alleine in die Maschine und muss regelmäßig aussortiert werden, Arzttermine müssen gemacht werden und es muss jemand hingehen, der Kühlschrank füllt sich auch nicht von alleine und die Wechselsachen in der Kita muss auch jemand kontrollieren. Leider gibt es bei uns keine Heinzelmännchen, die diese Arbeit verrichten. Das bleibt an uns Eltern hängen.

Leider trägt in unserer Gesellschaft nach wie vor die Frau diese mentale Last und ist verantwortlich, dass alles läuft – trotz politischem und gesellschaftlichem Bestreben nach Gleichberechtigung! Denn während der Mann beruflich fest im Sattel sitzt und jeden Tag auf’s Neue die Welt rettet, wuppt die Frau derweil den Familienalltag – neben ihrer Teilzeittätigkeit wohlgemerkt. Sie ist verantwortlich für das Gelingen sämtlicher sichtbarer und unsichtbarer Arbeiten. Darüber hinaus übernimmt sie sogar die Verantwortung für den männlichen Anteil am Gelingen der Arbeiten. Sie denkt an seine Termine und erinnern ihn beispielsweise an den Geburtstag seiner eigenen Mutter. Er ruft von der Arbeit an und fragt zum Beispiel: „Schatz, was haben wir nächste Woche vor? ich muss auf Dienstreise.“

Natürlich kann man sagen: „Hej, wenn alle damit einverstanden sind, ist doch super!“ Ja, kann man(n) sagen und höre ich sehr häufig. Leider kenne ich mehr Frauen, die unglücklich in dieser Rolle sind und Familien, die dieses Modell trotz aller Belastungen beibehalten. Sie wünschen sich ein anderes Familienleben und können oder wollen am Status aber nichts verändern. Lieber gehen die Frauen aus dem Job raus (oder werden nach der Elternzeit gekündigt), als dass die Männer ihre Arbeitszeit reduzieren. Aus meiner Sicht muss die mentale Belastung aber gleichberechtigt verteilt sein!

»Neue Väter« statt tradierte Rollenbilder

Der Vaterreport 2018 sagt, dass in über 75% der Familien der Mann in Vollzeit arbeitet und die Frau in Teilzeit. Nur 5% arbeiten beide maximal in Teilzeit oder die Frau ist Hauptverdienerin. Die Belastung im Familienalltag liegt also bei der Frau. Studien zeigen außerdem, dass Männer eine Stunde pro Tag mehr arbeiten, wenn sie Kinder haben. Skurril, denn 80% der Männer geben an, ihre Arbeitszeit reduzieren zu wollen und mehr Zeit mit den Kindern verbringen zu wollen, aber weniger als 25% macht es auch. Männern fällt es also schwer, etwas zu verändern. Warum ist das so?

Wenn ich mit unseren Kindern zum Arzt gehe, werde ich gefragt, ob die Mama noch kommt. Mir wird unterstellt, ich kenne das Gewicht meiner Kinder nicht, sodass lieber noch mal gewogen wird. Bei meinem ersten Kind wurde mir die Rückkehr in Teilzeit von meinem Arbeitgeber verwehrt, sodass ich gekündigt habe. Gleichzeitig werde ich von fremden Menschen gefeiert, dass ich Zeit mit meinem Kind verbringe. Vormittags auf dem Spielplatz. Bisher hat niemand meine Frau dafür gefeiert!

Auch ich wuchs auf mit dem Anspruch auf, Karriere machen zu können und zu müssen. Bin ja schließlich ein Mann. Dass ich mit Ende 20 noch einmal komplett von vorne anfing, gehörte nicht ins Drehbuch und passte nicht zur Vorstellung meiner Sozialisation. Ich stand mir selber im Weg und war Teil des Mental Load-Problems in meinen Beziehungen. Groß geworden im Patriarchat habe ich erst spät verstanden, worauf es in der Partnerschaft und in der Familie ankommt. Es braucht »Neue Väter«! Aus meiner Sicht muss sich auf zwei Ebenen etwas ändern.

Verhalten und Verhältnisse

Zum einen dürfen Männer sich die Erlaubnis geben, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Dafür müssen sie ihre Einstellung, ihre Glaubenssätze und ihr Verhalten überprüfen und verändern. Sie dürfen das, weil es um ihre Kinder, ihre Partnerin und ihre Familie geht. Was sind schon 3, 4 oder 5 Jahre in Teilzeit gesehen auf’s ganze Leben? Es gibt übrigens bisher keine Studie die belegen kann, dass es zu einem Karriere-Knick kommt, wenn der Papa lange Elternzeit nimmt! Wenn ich schreibe, dass es »Neue Väter« braucht, dann bracht es auch »Neue Mütter«. Frauen müssen ebenfalls lernen, Verantwortung abzugeben und akzeptieren, dass Männer Gefühlsarbeit, Sorgearbeit und Denkarbeit anders machen.

Der Gesetzgeber hat vor über 10 Jahren die Verhältnisse verändert, indem er die Elternzeit reformiert und das Elterngeld eingeführt hat. Seitdem bekommen auch Väter Geld, wenn sie eine Zeit lang zu Hause bleiben. Leider ist der Lenkungseffekt nicht ganz aufgegangen, denn Väter nehmen meistens nur die 2 Monate Bonus. Das Elterngeld wird zudem voll auf andere Sozialleistungen angerechnet, sodass bestimmte Gruppen diskriminiert werden. Zwar haben Frauen bessere Karrierechancen und steigen schneller wieder in den Job zurück. Doch fehlt es an Männern, die nach der Elternzeit ihre Arbeitszeit in Teilzeit reduzieren. Das führt zwangsläufig zu einem Betreuungsproblem, das der Gesetzgeber mit dem Gute-Kita-Gesetz löst: Den Ausbau von U3-Kindertagespflege-Plätzen.

Ein Ausblick

Liebe Papas, nehmt Elternzeit und reduziert eure Arbeitszeit. Es lohnt sich, denn die Zeit mit euren Kindern gibt euch niemand zurück. Gleichzeitig stärkst du die Paarbeziehung zu deiner Frau und wirst merken, dass du viel entspannter aber auch selbstsicherer wirst. Auch wenn du nun den Anteil am Mental Load deutlich erhöhst, entlastest du deine Frau und verbringst gleichzeitig mehr Zeit mit der Familie. Ja, Kinder fordern und fördern dich! Väter dürfen auch über die 2 Monate Elternzeit hinaus zu Hause bleiben. Sie müssen es nur wollen! In Familien, die es (finanziell) können, sollte es Väter geben, die es wollen. Während die Mutter also wieder in Teilzeit in den Job zurückkehrt, bleibt der Vater zu Hause und schmeißt den Laden. Das ist für mich gelebte Gleichberechtigung! Dann klappt es auch mit Mental Load.

Übrigens war ich damals in der Grundschule sehr enttäuscht und frustriert. Ich habe es nicht geschafft, das Gedicht auswendig und fehlerfrei vorzutragen. 25 Jahre später haben wir die Geschichte in einer wunderschönen Illustration von Eve Tharlet geschenkt bekommen. Seitdem lese ich meinen Kindern sehr gerne die Geschichte der kleinen Hauselfen vor. Mittlerweile kann ich die Geschichte sogar auswendig vortragen. Die 5 EUR kommen dann ins Sparschein der Kinder!

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