Wenn es das Meer bis nach Hause schafft

Die Kleine sitzt im Tragesystem vor meiner Brust. Solche Systeme sind schon eine tolle Erfindung. Mit ihren Händchen umgreift sie meine Zeigefinger und drückt immer fest zu, wenn sie sich über etwas freut. Zusammen mit Mama spazieren wir am Strand entlang und lauschen den Wellen. Wir genießen den innigen Kontakt. Mit großen Augen schaut die Kleine auf’s Meer und fängt bei jeder großen Welle herrlich an zu lachen. So ein schöner Moment, den wir mit dem Fotoapparat einfangen. An dieser Stelle vom Mittelmeer sind die Wellen lauter als anderswo und gleichen eher den Wellen der Nordsee. „Schön zu sehen, wie die Kleine die Elemente liebt und so auf Naturgeräusche abfährt“, grinst meine Frau, während wir näher an die Wellen herangehen. Wir bleiben noch ein paar Minuten, ehe wir zum Bus zurückkehren.

Da meine Frau nach der Reise wieder arbeiten geht und ich die Kleine tagsüber betreuen werde, gewöhnen wir sie bereits an die neue Situation. Papa macht das Essen und füttert die Kleine, wechselt Windeln und bringt die Kleine ins Bett. Letzteres klappt allerdings nicht so gut. An dieser Stelle würde meine Frau den „Busenneid“ anführen. Ich fühle mich jedes Mal geknickt, wenn ich verzweifelt das schreiende Baby mit den Worten „hier, klappt nicht, mach du mal weiter“ an sie übergebe. Dann überlege ich, woran es liegt (ja, Busenneid) und experimentiere herum. Einmal habe ich die Kleine vorher so sehr beim Spielen ausgepowert, dass sie noch lauter nach Mama schrie. Ein andern Mal habe ich »Bruder Jakob« und »Was müssen das für Bäume sein« gesungen. Sie schaut mich dann immer an und denkt sich: „Dein Ernst?“ Ein weiteres Mal habe ich ganz langsam gezählt und dabei meine Finger benutzt: „Eins, zwei, drei, …“ Bei 259 habe ich verzweifelt aufgehört. Hat alles nicht geklappt, „hier, nimm du mal, klappt nicht“. Meine Frau streicht mir dann durchs Haar und schaut mich tröstend an.

Als Student saß ich oft mit Freunden am Strand, hörten chillige Musik und haben das Leben genossen. Doch jetzt als Papa kann ich der Kleinen natürlich kein Jack Johnson zum Einschlafen vorspielen. Kann ich natürlich schon, findet meine Frau dann aber nur bedingt witzig. Letztendlich würde sie die Kleine wieder bekommen. Mal sehen, ob’s heute klappt. Beim Wickeln und Umziehen singe ich die bekannten Lieder. Die Stimmung ist auf beiden Seiten gut. Die Gute-Nacht-Geschichte klappt wie gewohnt hervorragend. Baby dreht dann immer total ab, streichelt, küsst und sabbert die Tiere im Bilderbuch voll. Entsprechend gewellt sehen die Seiten schon aus. Mama lässt uns nach dem Gute-Nacht-Kuss allein. Nun gut, ich schalte die Bluetooth-Box an, regel auf angenehme Lautstärke und drücke auf Play. Kurz darauf erklingt das Wellengeräusch vom Nachmittag. Glucksend und strampelnd vor Freude liegt die Kleine neben mir. Gemeinsam lauschen wir den Klängen des Mittelmeers. Es dauert noch bestimmt 20 Minuten, ehe sie eingeschlafen ist. Mit ihrem Händchen hat sie meinen Zeigefinger fest umschlossen, so, wie sie es im Tragesystem immer macht.

In dieser Nacht bin ich der glücklichste Papa! Meine Frau streicht mir durch Haar und grinst mich stolz an.

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