Diagnose: Cytomegalie in der Schwangerschaft

Normalerweise freut man sich, wenn jemand schwanger ist und Nachwuchs erwartet. Wir erkundigen uns nach dem Wohlbefinden der Frau und wünschen alles Gute. Natürlich fragen wir, wann es soweit ist und ob schon klar ist, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird. Es wird ein Kind. In den meisten Fällen, ein gesundes Kind.

Seit einigen Wochen wissen wir, dass wir schwanger sind. Wir sind schwanger, weil die Schwangerschaft meiner Frau uns als Familie betrifft. Wir gehen gemeinsam zum Frauenarzt, sprechen gemeinsam zum Fetus und kuscheln oft zusammen. Wenn Mama schlechte Laune hat, geben wir ihr Zeit und wenn sie Ruhe braucht, kann sie sich zurückziehen und K1 und ich unternehmen etwas. Unsere Kleine freut sich schon riesig und ist sehr einfühlsam. Sie spricht mit dem Bauch und streichelt das Baby liebevoll. Und natürlich wird auch mein Bauch dicker, aber das ist eine andere Geschichte.

Meine Frau ist Rehabilitationspädagogin und ich bin Sozialarbeiter. Für uns steht fest, dass uns das Leben wichtiger ist als eine mögliche Abtreibung. Seit der ersten Schwangerschaft sind wir uns einig, dass wir keine Untersuchungen machen wollen, die ein Risiko für den Fetus bedeuten. Dazu gehören Fruchtwasseruntersuchungen oder andere Eingriffe. Sollte das Kind eine Behinderung haben, dann wird es in eine liebevolle Umgebung geboren. Andere Untersuchungen, die kein Risiko für den Fetus bedeuten, sind z.B. die Untersuchung des Blutes auf Cytomegalie-Viren. Diese haben wir schon in der Schwangerschaft mit K1 gemacht.

Cytomegalie-Viren gehören zu den Hepatitis Herpes Viren und sind normalerweise nicht gefährlich. Etwa 60% der westlichen Bevölkerung trägt diesen Virus in sich. In Entwicklungsländern haben fast 100% der Menschen den Virus. Solange keine Erstinfektion mit dem Virus bei der Schwangeren bekannt ist, sollte sie keinen direkten Kontakt zu Kleinkindern haben. Denn der Virus wird unter anderem über den Speichel und Urin übertragen. Das ist übrigens einer der Gründe, warum Erzieherinnen und Sozialarbeiter im Kinder- und Jugendbereich ins Beschäftigungsverbot gehen. Denn wenn die Erstinfektion in den ersten Wochen der Schwangerschaft auftritt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sich beim Fetus Fehlbildungen, wie ein zu kleiner Kopf, Darmschlingen oder Missbildungen ausbilden. Eine spätere Infektion ist weniger gefährlich. Ein paar Fakten:

  • CMV ist weltweit die häufigste erworbene Infektion ungeborener Kinder in der Schwangerschaft.
  • Bei ca. 1% der CMV negativen Schwangeren in Europa kommt es zu einer Erstinfektion. Eine Übertragung auf das ungeborene Kind erfolgt in ca. 50% der Fälle.
  • Die häufigste Spätfolge ist die Hörminderung bis zur Taubheit.
  • Für Deutschland gibt es nur Schätzungen. Im Jahr 2004 wurden ca. 3670 Kinder mit einer in der Schwangerschaft erworbenen CMV-Infektion geboren.

Quelle: http://www.cmv-selbsthilfegruppe.de/schwangerschaft.pdf

Dreimal dürft ihr raten, warum ich diese Zeilen schreibe. Genau, wir sind nicht nur schwanger, sondern haben auch den Humanen Cytomegalie-Virus (HCMV). Das Blut meiner Frau wurde kurz nach Bekanntwerden der Schwangerschaft abgenommen – übrigens eine IgL-Leistung (zahlen wir selber, ca. 35 EUR) – und in ein Labor geschickt. Nachdem der Befund zunächst fraglich positiv war, wurde eine zweite aufwändigere Untersuchung gemacht, die dann jedoch negativ ausfiel – das hat die Krankenkasse gezahlt. Wir hatten Hoffnung. Doch bei der nächsten Probe wurde dann festgestellt, dass meine Frau den Virus hat. Anscheinend war die Infektion ganz frisch, sodass ein früher Nachweis fehlerbehaftet war. Unser Frauenarzt hat uns dann direkt in ein Pränatalzentrum überwiesen. Der Termin war am nächsten Tag. Meine Frau war da in der 13. SSW.

Dort angekommen berichtete der Frauenarzt über die Diagnose HCMV sowie die Symptome der Erkrankung beim Fetus. Es gibt eine Möglichkeit der Behandlung während der Schwangerschaft, doch gerade bei Infektionen in den ersten SSW ist Schnelligkeit geboten. Es gibt ein Medikament, das noch nicht zugelassen ist, aber sofort gegeben werden muss, um Schäden durch eine Übertragung auf das Baby im besten Fall zu vermeiden. Es handelt sich dabei um ein Hyperimmunglobulin der Firma Biotest AG. Es kostet ca. 10.000 EUR und es muss ein Antrag an die Krankenkassen gestellt werden zur Kostenübernahme. Bei Ablehnung, müssen wir den Betrag aus der eigenen Tasche zahlen. Über die Studienlage kann er nur soviel sagen, dass es nur eine Studie gebe, die signifikante Ergebnisse vorweist. Eine andere Studie mit Kontrollgruppe weist dagegen keine signifikanten Ergebnisse vor. Das hat uns irritiert und auch ein wenig Angst bereitet. Was sollen wir jetzt glauben?

Der Ultraschall war übrigens ohne Auffälligkeiten, alle Organe, die Schäden davontragen könnten, waren zu sehen und auch gut ausgeprägt. Beim nächsten Mal wird sich zeigen, ob alle Werte noch im Rahmen sind, oder ob z.B. der Kopfumfang zu groß ist. Wir sollen auf jeden Fall den Antrag an die Krankenkasse stellen und so schnell wie möglich mit der Behandlung beginnen. Nebenwirkungen für die Frau gebe es keine. Totgeburten aufgrund der Gabe des Medikamentes auch nicht und überhaupt ginge es den Frauen nicht schlechter damit.

Zu Hause haben wir erst mal alles sacken lassen und gequatscht. Sind wir noch auf einem Stand? Wollen wir das Selbe für das Baby? Sprechen wir mit einer Sprache? Wir brauchen zunächst mehr Infos! Im Internet sind wir schlauer geworden. Grundsätzlich stimmt alles, was der Arzt gesagt hat. Es gibt allerdings mehrere Studien, die leider viel zu kleine Kohorten untersucht haben. Teilweise gibt es Kontrollgruppen, oft auch nicht. Eine PowerPoint Präsentation von einem Kongress zeigt die Verläufe der Schwangerschaften unter Gabe des Medikamentes. Es gibt auch nur ein Medikament, das auf dem Markt ist, sich aber noch in Phase 2 (von 3) der Zulassung befindet. Also es ist keine Wirkung nachgewiesen, aber es kann ohne Nebenwirkungen verabreicht werden und die Kosten können von den Krankenkassen übernommen werden.

Sollen wir die Behandlung machen? Was ist überhaupt mit den Studien? Wo sind die zu finden? Was sagen die genau? Gibt es vielleicht Selbsthilfegruppen oder Ansprechpartner oder Foren, wo wir uns unabhängig erkundigen können?

Wir sind erst Mal für eine Woche in den Urlaub gefahren und haben uns nicht weiter damit beschäftigt. Nach dem Urlaub recherchierten wir weiter. Es gibt eine Anlaufstelle für Schwangere mit HCMV im Internet. Dorthin hat meine Frau eine Mail geschickt mit der Bitte um Kontaktaufnahme für eine unabhängige Beratung. Die kam auch prompt mit dem Hinweis, dass jetzt schnell reagiert werden muss und keine Zeit verstreichen darf. Diese Aussage hat uns sehr verunsichert. Der weitere Inhalt der Mail ähnelte sehr der Werbung für das Medikament. Wir sollten die Beratungsstelle sofort anrufen, für 12,4 Cent/Minute. Meine Frau war irritiert und wir schauten uns die Seite genauer an. Im Impressum war dann auch klar, warum. Die Betreiberin ist PR Beraterin und arbeitet für die Initiative mit einem Beirat aus Ärzten zusammen, die zu dem Thema forschen. Muss nichts negatives heißen, hat für uns aber einen „Beigeschmack“. Danke, wir suchen weiter.

Wir warten noch auf die Entscheidung der Krankenkasse und das Gutachten des MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkasse). In den nächsten Tagen hat meine Frau die nächste Untersuchung im Pränatalzentrum und wir überlegen, ob es eine Infusion geben wird, oder nicht. Sollte der Ultraschall unauffällig sein, sind wir schon mal sehr erleichtert. Alles wird gut und wir sind zuversichtlich. Und wenn es nicht gut geht, dann wissen wir es und stellen uns auf die neue Situation ein. Letztendlich sind wir bereit und freuen uns auf unseren Nachwuchs, ob mit oder ohne Infektion. K2 wird es gut haben bei uns.

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Responses

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  1. Lieber Heiner,
    ein sehr informativer und leider auch erschreckender Beitrag. Damit meine ich weniger die Diagnose, denn eure Einstellung dazu finde ich super!
    Viel mehr erschreckt mich wie und mit welchen Mitteln werdende Eltern als Versuchspersonen „geworben“ werden.
    Ich drücke euch vieren alle Daumen und trotz allem eine wunderbare Schwangerschaft ❤️
    GlG
    Björn

    1. Lieber Björn,
      hab vielen lieben Dank für deinen Kommentar. Ja, die Haltung der Pharmalobby hat uns auch erschreckt. Die Politik ebnet aber auch den Weg dafür. Seit der Revision der europäischen pharmazeutischen Gesetzgebung im März 2004 ist es leichter, neue Medikamente im Off-Label Use (bezeichnet die Verordnung eines Fertigarzneimittels außerhalb des durch die Arzneimittelbehörden zugelassen Gebrauchs) zu erhalten. Wir bleiben aber optimistisch, lassen uns nicht irritieren und freuen uns auf K2.
      Beste Grüße, Heiner

  2. Lieber Heiner,
    Wieist die Geschichte ausgegangen?
    Ich bin jetzt auch in der 6 Schwangerschaftswoche und bei mir wurde auch CMV nachgewiesen. Jetzt habe ich viele Gedanken…
    Liebe Grüße,
    Katherina

    1. Liebe Katherina,
      wir haben einen gesunden Sohn bekommen, der CMV Nachweis war negativ. Auch hatten sich die weiteren Diagnosen als negativ herausgestellt. Letztendlich bleibt bei der ganzen Aufregung mit Blick auf die Diagnostik und Therapie ein fader Beigeschmack. Vielleicht hatten wir aber auch einfach nur Glück! Wir sind jedenfalls sehr dankbar, dass Kind Nr. 2 gesund und munter ist.
      Wünsche dir alles Gute und viel Kraft! Während der stressigen und aufreibenden Schwangerschaft hat uns Hypnobirthing wieder Ruhe und Gelassenheit gegeben. So haben wir eine sehr entspannte und schöne Geburt erlebt. Den Bericht mit allem „drum und dran“ (auch über die CMV Diagnose) findest du hier: IM HERBST, WENN DER NEBEL KOMMT – EIN GEBURTSBERICHT AUS VATERSICHT
      Liebe Grüße,
      Heiner

  3. Hallo,
    ich würde gerne wissen ob ihr die Infusionen bekommen habt? Bei mir war es leider zu spät. Die Ultraschalluntersuchungeb waren alle unauffällig aber Sorgen mache ich mir dennoch.
    Viele Grüße

  4. Servus Heiner,
    Mein Name ist Manuel und ich bin grade in einer ähnlichen Situation.
    Meine Frau ist mir K 4 schwanger (10 Woche) und befürchtet das schlimmste, nachdem bei mir (!) eine akute CMV infektion festgestellt wurde, die auch extrem Schwer verlaufen ist. Ich habe quasi die letzten zwei Wochen im Bett verbracht immer mit 39,5 Fieber und starken Kopfschmerzen.
    Unsre Frauenärztin meinte heute, dass eine so frühe Infektion meistens zu einer Fehlgeburt führt. Allerdings hat sie keine Erfahrung mit einem cmv Verlauf im ersten trimenon.
    Meine Frage an euch wäre jetzt: Was kann man tun? Kannst du uns auf dem Laufenden halten? Wie verlief die Folgeuntersuchung?
    Ganz liebe Grüße
    Manuel Renken

      1. Hallo Manuel,
        danke für deine Nachricht. Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann hattest du eine CMV Infektion mit schwerem Verlauf und ihr habt nun Sorge, dass sich deine schwangere Frau bei dir angesteckt hat. Dazu müsste, soweit ich es verstanden habe, deine Frau bisher nie eine CMV Infektion durchgemacht haben. Denn würde deine Frau bereits vor der Schwangerschaft eine CMV Infektion gehabt haben, ist sie nicht oder weniger gefährdet. Das Virus würde bei ihr nichts anrichten, weil sie schon Antikörper hat.
        Ich gehe davon aus, dass die Laborergebnisse der Blutuntersuchung deiner Frau vorliegen und aussagen, dass sie bisher negativ war. Dann ist mit einer erhöhten Infektionsgefahr zu rechnen, ja. Meine Frau hatte noch eine weitere Blutuntersuchung, weil der Grenzwert bei der ersten nicht ganz eindeutig war. Anschließend sind wir in ein Pränatal-Zentrum zur Diagnostik überwiesen und dort betreut worden. Wir hatten Glück und unser Sohn hat bisher (er ist jetzt 22 Monate alt) keine Einschränkungen.
        Wendet euch bei Fragen auch an die Krankenkasse, die hatte uns sehr weitergeholfen und auch die Therapie bezahlt. Lasst euch sonst von einer anderen Frauenärztin eine Zweitmeinung geben und eventuell eine Überweisung in ein Pränatal-Zentrum. Ich drücke euch die Daumen und wünsche euch ganz viel Kraft und Zuversicht, dass ihr ein gesundes Kind zur Welt bringt!
        Liebe Grüße,
        Heiner

      2. Nachtrag: Schau mal hier beim Labor Enders vorbei. Dort findest du weitere Informationen über die Erkrankung. Das Labor ist führend in Deutschland, was die Erforschung und Therapie von CMV angeht. Unsere Proben wurden auch dort ausgewertet: https://www.labor-enders.de/2019/12/16/zytomegalie-cmv-infektion-in-der-schwangerschaft/ Wobei ich an dieser Stelle auch hinweisen möchte, dass die Studienlage sehr stark geprägt ist von verschiedenen Akteuren aus Pharmaunternehmen und Wissenschaftlern. Also es ist nicht immer ganz klar zu erkennen, wer die Studie finanziert hat und welches Interesse dahinter steht.

      3. Lieber Heiner, wie schön auch von einem positiven Ende zu lesen. Ich war etwas irritiert zu lesen, dass ihr die Diagnose in SSW13 bekommen habt und somit frühestens nach SSW14 mit der Therapie begonnen habt?! Mir hat man gesagt, dass die Therapie vor der SSW 14 beginnen muss, weil sie sonst nichts mehr bringt?

  5. Uns hat es auch erwischt, Gott sei Dank oder leider recht früh. Ich bin in der 8. Ssw. Die Infektion hat laut dem Labor enders innerhalb der letzten 12 Wochen stattgefunden. Also vielleicht noch vor der Schwangerschaft. Heute haben wir den ersten Termin bei einem Frindiagnostiker. Ich habe Angst, große Angst. Aber ich muss stark sein für meinen kleinen großen Schatz, 4 Jahre.

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