Wie ich den Weg vom traditionellen Rollenbild zum aktiven Vater geschafft habe

Vom traditionellen Rollenbild des Vaters und Mannes musste ich mich erst lösen, bevor ich in die neue Rolle des aktiven Vaters schlüpfen konnte. Die Elternzeit ist eine Gelegenheit, sich selber und sein Rollenvorbild zu überdenken. Aber auch hier gibt es immer neue Herausforderungen zu meistern und Wege zu gehen. Dass ich jetzt meine Elternzeit verlängert habe, ist der konsequente Schritt einer langen Entwicklung.

Zum Vatertag wurde ich von Ulrike Schuster von der Bild am Sonntag zu meiner Vaterrolle interviewt. Eigentlich sollte das Gespräch nicht lange dauern, einiges konnten wir bereits vorab per Mail besprechen. Doch nach 1,5 Stunden habe ich das Gespräch abgebrochen, weil die Kinder so langsam ihren Papa wieder zurück haben wollten. Bis dahin habe ich meine Geschichte erzählt und am anderen Ende der Leitung freute sich eine staunende Redakteurin. Die letzte Frage hat mich dann aber doch zum Nachdenken gebracht: „Heiner, was ist die Konsequenz aus der zweiten Elternzeitreise?“ Über vieles mache ich mir Gedanken, aber nicht über Konsequenzen aus der Reise. Wie meinte sie das überhaupt?

Gefangen im traditionellen Rollenbild

Nach der ersten Elternzeit war ich noch weitere vier Monate mit K1 zu Hause, während meine Frau zurück in ihren Teilzeit-Job gegangen ist. Damals war ich froh um diese Auszeit vom Job. Überwerfungen, Enttäuschungen und falsche Erwartungen führten zu Unwohlsein und Rückzug. Gleichzeitig hat mir die Arbeit aber auch Spaß gemacht. Doch beim Gedanken an die Rückkehr in den Job bekam ich Bauchweh und Stresspickel. Im Dezember 2016 konnte meine Frau das Elend nicht mehr weiter ansehen und meinte: „Heiner, es ist ok wenn du kündigst, wir schaffen das auch mit einem Gehalt!

Wir gehen beide arbeiten und bringen ein stabiles Einkommen nach Hause. Monatlich konnte ich etwa 1.000 EUR zur Seite legen, um damit mein BaföG und den Studienkredit zurückzuzahlen. Mehr als 40 Stunden arbeitete ich und hatte viele Überstunden auf meinem Gleitzeitkonto, die ich in Freizeit tauschen konnte. Das war mir immer lieber, als einen Ausgleichsbetrag ausgezahlt zu bekommen. Dennoch tat ich mich schwer, auf Geld zu verzichten. Selbst in Teilzeit mit der halben Stundenzahl würde ich bei schlechter Steuerklasse ca. 1.000 EUR Lohn erhalten. Eine Zäsur in meinem Berufsleben.

„Im Verlauf des gemeinsamen Lebens führen Zäsuren wie die Geburt eines Kindes oder ein Karrieresprung des Mannes oft dazu, dass die gleichgestellte Vision, die sie vorher (teilweise) schon realisiert hatten, oft schlagartig in ein traditionelles Rollenbild kipp – nicht weil dies das von beiden gewollte und verabredete Lebensmodell ist, sonder aus rationalen, ökonomischen Erwägungen aufgrund äußerer Anreizstrukturen.“

Karsten Wippermann (2014): Jungen und Männer im Spagat: Zwischen Rollenbildern und Alltagspraxis, Berlin, S. 10

Erschrocken über mich, wie sehr mich das klassische Rollenbild gefangen hat, begab ich mich auf die Suche nach einer Lösung. Schließlich wollten ich es doch immer anders machen. Der Mann als Ernährer, der das Geld nach Hause bringt, der nur am Wochenende mit den Kindern Zeit verbringen kann, der die Kinder morgens zur Schule fährt und es gerade so schafft, ihnen abends eine Gute Nacht Geschichte vorzulesen. So ein Vater wollte ich nie werden und war doch auf dem besten Weg dorthin. Zurück ins traditionelle Rollenbild. Mit der Elternzeit hatte ich die Chance, es anders zu machen; so, wie ich es schon immer machen wollte.

Erste Schritte zur neuen Vaterrolle

Im Dezember 2016 habe ich meinen unbefristeten Vollzeit-Job gekündigt und mich auf die bevorstehende Elternzeit als Hausmann eingestellt. Mein Arbeitgeber konnte mir keine Teilzeitstelle anbieten und war dazu auch nicht verpflichtet. Die damalige Elternzeit war dementsprechend eine Zäsur für uns als Familie. Wie es mir damit erging, habe ich hier aufgeschrieben. Einige Monate später sind wir umgezogen, haben unser Auto verkauft und machten mit beim foodsharing. Nun haben wir einen Spielplatz vor der Haustür und beide nur 5 Minuten zu Fuß zur Arbeit. Beide? Ja, denn durch eine glückliche Fügung konnte ich im örtlichen Krankenhaus als Sozialarbeiter anfangen. In Teilzeit für 20 Stunden. Perfekt für unsere Familie. Vormittags war meine Frau zu Hause bei K1, nachmittags ich. Gelebte Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Auch das Thema Einkommen hatte sich eingespielt. Wir haben die Steuerklassen gewechselt und beteiligen uns am Familienhaushalt in Relation unseres Einkommens. Meine Frau steuert den größeren Betrag zu, ich den kleineren. So bleiben ihr und mir ca. 700 EUR, die wir für unser persönliches Konto „über“ haben. Meine Schulden aus dem Studium hatte ich, auch dank eines Familiendarlehns, abgegolten. Nun füllte sich Monat für Monat das Tagesgeldkonto. Gleichzeitig hatte ich mich vom teuren Flugverein passiv gemeldet und spare so ca. 500 EUR pro Jahr. Wir verzichten auf teure (Streaming-, Musik-, App-) Abos, kaufen viel gebraucht und müssen trotzdem nicht aufs Reisen verzichten. Kleinere Ausflüge oder längere Urlaube sind ebenso „drin“ wie vorher.

Die zweite Elternzeitreise sollte tatsächlich eine weitere Veränderung bringen. Während der Schwangerschaft von K2 haben wir versucht, alle Fehler über Vereinbarkeit von Familie und Beruf kein zweites Mal zu machen. Also habe ich rechtzeitig das Gespräch mit meiner Chefin gesucht und ihr offen heraus unsere Pläne erzählt. Da sie und meine Kolleg*innen Vollblut-Eltern sind und die Personalabteilung erfahren ist, lief alles problemlos. Die Elternzeitreise sollte dieses Mal allerdings länger und nach Slowenien verlaufen. Wir würden uns drei Monate Zeit nehmen und uns von der Sonne treiben lassen. Dass es anders kam, kannst du hier nachlesen. In den Wochen nach der Reise sprachen meine Frau und ich viel über die nächsten Schritte. K1 kommt in den Kindergarten, meine Frau geht im Juli wieder arbeiten und ich bin ab Januar 2020 wieder zurück im Job. Doch irgendwie fühlte sich das nicht richtig an.

Bedürfnisorientierte Vaterschaft

Wieder einmal stehe ich vor einer Entscheidung, die sich wie eine Weggabelung eines Wanderweges anfühlt. Gehe ich rechts oder links entlang? Bleibe ich sitzen oder kehre ich um? Richtig oder falsch? Ich erinnerte mich an die Frage von Ulrike Schuster, die wie Treibstoff im Gedankenkarussel meines Kopfes wirkt. Was, wenn ich zu Hause bleibe, bis K2 in den Kindergarten geht? Was, wenn meine Frau die Vollverdienerin sein wird? Was, wenn wir das gegenwärtige gesellschaftliche Rollenmodell auf den Kopf stellen? ,Nur Mut, es ist ok‘, denke ich mir. Erwartungsgemäß musste ich meine Frau nicht überzeugen, denn sie strahlte mich an und war sofort begeistert. Trotzdem musste ich noch mal kurz nachrechnen, bevor es sich „richtig“ und „gut“ anfühlte.

Zwar verzichte ich auf 1.000 EUR Einkommen, doch wer aufmerksam gelesen hat wird feststellen, dass wir immer noch deutlich im Plus raus kommen – obwohl meine Frau „nur“ 30 Stunden arbeitet. Wir haben den charmanten Vorteil, dass wir zur Miete wohnen und keine monatliche Kreditbelastung (für z.B. Immobilie, Möbel, Auto, Smartphone, Computer) haben. Wir gehen zu Fuß einkaufen, reisen mit unserem Fiete VW Bus und verzichten auf teure Urlaube. Anderer Schnick Schnack, wie neue Smartphones, riesige Fernseher und Playstation Spiele fehlen bei uns ebenso, wie teure Hobbys. Lieber verbringen wir gemeinsame Familienzeit oder treffen Freunde zur Qualitätszeit. Geld ist uns nicht wichtig. Ja, ich bleibe zu Hause!

Raus aus der Komfortzone

Es sollte mehr Väter geben, die sich für eine aktive Vaterrolle entscheiden. Vielleicht braucht es Mut oder Zuversicht, als Papa zu Hause zu bleiben. Sicherlich braucht es auch eine finanzielle Grundlage, regelmäßiges Einkommen durch Elterngeld oder Lohnarbeit des Partners. Für mich sind dies jedoch vorgeschobene Gründe. Vielmehr müssen Väter mehr noch als Mütter den Anreizen widerstehen, die ihnen der Job bringt. Das Bequeme überwinden, raus aus der Komfort-Zone! Das Überwinden der im oberen Zitat beschriebenen ökonomischen Erwägungen sind die gegenwärtige Herausforderungen. Also weniger rational denken, sondern mehr emotional handeln. Wer jetzt mit „ja, aber das Geld…“ argumentiert, muss sich von seinen Denkmustern lösen!

Die nächsten Schritte sind schnell erzählt. Gespräch mit meiner Chefin, Antrag beim Arbeitgeber auf Verlängerung der Elternzeit und alle Formalitäten überarbeiten, sobald die Bestätigung im Briefkasten liegt. Glücklicherweise hat meine Vertretung Lust, mich bis September 2021 zu vertreten. Ulrike Schuster sollte Recht behalten mit ihrer Annahme, dass jede Elternzeitreise eine einschneidende Veränderung für die Familie mit sich bringt.

Was denkst du über die neuen Väter? Bist du ein aktiver Vater oder möchtest du einer sein? Oder gehörst du zum Team Traditionelles Rollenbild und kannst damit gar nichts anfangen? Ich bin gespannt auf deine Kommentare und Erfahrungsberichte!

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