Die größte Veränderung findet in deinem Kopf statt

Das gegenwärtige Bild der Familie in Deutschland ist nach wie vor gekennzeichnet von traditionellen Rollenbildern. Der Mann arbeitet Vollzeit und die Frau kümmert sich um die Kinder. Frauen erkämpfen sich immer mehr Rechte um Teilhabe am Erwerbsleben. Auf der Strecke bleiben Kinder, die in meinen Augen zu früh in die Fremdbetreuung gegeben werden. Politisch ist das sogar gewollt!

Eine Steile These, die ich im Folgenden ein wenig aufdröseln möchte. Nur kurz ein paar Zahlen: Das Statistische Bundesamt hat im vergangenen Jahr wieder einen Report veröffentlicht. Der Datenreport 2018 schreibt gleich auf den vorderen Seiten, dass 760.000 Kinder unter 3 Jahren 2017 außer Haus betreut wurden – doppelt so viele wie vor 10 Jahren. Im weiteren Verlauf geht der Report auf die Situation in den Familien ein. Von den verheirateten Paaren sind demnach 22% in Vollzeit tätig. Bei 72% der Ehepaare arbeitet die Mutter in Teilzeit und der Vater in Vollzeit. 5% der erwerbstätigen Mütter arbeiten mehr der gleich viel wie der Ehepartner (siehe Abbildung unten). Im Vergleich zum letzten Datenreport 2016 sind das zwar keine gravierenden Veränderungen, doch zeigt sich hier schon ein Trend, der politisch gesteuert wird. Der Datenreport 2016 hat für Paare in Vollzeit noch Werte von 21% herausgefunden (Datenstand 2014). Gleichzeitig stieg die Betreuungsquote der Kinder im Zeitraum 2014 bis 2017 von 32,9% auf 33,1%. Im Ganztag werden sogar 18,5% (2014: 18,1%) aller Kinder betreut.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Das Bundesministerium für Familie und Senioren, Frauen und Jugend schreibt in ihrem »[download id=“1873″]«, dass „die frühe Förderung von Kindern […] einen wichtigen Beitrag zur Chancengleichheit [leistet]. Darüber hinaus unterstützt eine gute Kinderbetreuung Eltern bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“ Für mich stellt sich die Frage, ob es bei der Chancengleichheit nur um die Lohnarbeit von Mama und Papa geht, oder tatsächlich um die Interessen und Bedürfnisse der Kinder! Die Betreuungsquote von unter 3 Jahren soll demnach auf 44% angehoben werden, damit Mama und Papa „gleichberechtigt“ arbeiten gehen können. Brauchen wir nicht mindestens einen Elternteil, der die Kinder bis 3 Jahre zu Hause betreuen kann, ohne sich Sorgen um das Erwerbseinkommen machen zu müssen?

„Ich möchte Vätern Mut machen, mehr Zeit für Care-Arbeit zu leisten!“

Wie eben schon angedeutet, werden die Rechte der Frauen auf Rückkehr in den alten Job und Wechsel von Teilzeit in Vollzeit politisch unterstützt und gewollt, doch fehlt es an Ausgewogenheit in der Care-Arbeit zwischen Müttern und Vätern. Die Erhöhung der Kita-Betreuung ist in meinen Augen der falsche Weg, denn Kinder brauchen eine enge und sichere Bindung durch beide Eltern. Dies ist nur gewährleistet, wenn die Care-Arbeit gestärkt wird. Darüber habe ich bereits mit meiner 1.000 EUR Forderung geschrieben. Der Trend ist leider ein anderer, was ich sehr schade finde. Daher mein Appell an die Väter: Nehmt nicht nur Elternzeit abhängiges Elterngeld sondern reduziert eure Erwerbsarbeit und steigert eure Care-Arbeit.

Wie das gehen kann, möchte ich dir jetzt zeigen!

Wie vieles im Leben beginnt Veränderung im Kopf. Denkweisen und Denkmuster sind in erlernten Bahnen im Gehirn verknüpft. Wir lernen durch Vorbilder, durch Erfahrung und durch Wiederholungen. Selten aber haben wir gelernt, richtig zu lernen. In der Schule und im Studium haben wir Wissen kurzfristig in uns reingestopft als gäb’s kein Morgen, dann in der Prüfung ausgespuckt und anschließend vergessen: Bulimielernen. Wir verhalten uns gesellschaftlich angepasst. Die bekannten und erlernten Rollenstereotypen geben Sicherheit und Orientierung. Im Job lernen wir neue Aufgaben und lösungsorientiertes Handeln. Agile Methoden bereichern unseren Alltag, ob bewusst oder unbewusst. Aber sobald wir Väter werden, beginnt bei vielen ein Automatismus einzusetzen, den Prof. Dr. Martin Schröder in einer Studie untersucht hat.

„Väter sind am zufriedensten, wenn sie Vollzeit oder länger arbeiten. Die Lebenszufriedenheit von Müttern ist dahingegen kaum von ihren Arbeitszeiten beeinflusst.“

Prof. Dr. Martin Schröder – Studie 2018

Er merkt an, dass die Ergebnisse ebenfalls bei Menschen mit sehr sicheren Arbeitsplätzen und sehr wenig Care-Arbeit auftreten. Zudem stellt er fest, dass Männer glücklicher sind, wenn sie in den stereotypischen Rollenbildern bleiben. Es können nur Vermutungen aufgestellt werden, warum das so ist. In meinem persönlichen Umfeld stelle ich diesen Effekt ebenfalls fest. So beklagen sich Mütter über ihre Männer, dass zu viel Arbeiten und wenig Zeit für Familie und Beziehung haben. Solche Väter sieht man dann am Wochenende mit den Kindern beim Brötchen holen oder Einkaufen. Mütter erobern sich mehr Zeit zurück, um wieder in Vollzeit tätig zu sein. In meinen Augen geht das aber zu Lasten der Kinder, der Beziehung und schließlich zu Lasten der ganzen Familie.

Meine Grundannahme

Bevor es weiter geht, gehe ich von folgendem aus: Du möchtest ein aktiver Vater sein und liebst deine Frau. Du planst oder hast schon Kinder aus Liebe und Überzeugung. Du möchtest Elternzeit nehmen und bist bereit, dir meine Pyramide anzuhören. Vielleicht möchtest du auch konstruktiv Kritik äußern, dann darfst du das sehr gerne in den Kommentaren machen. Dies sind meine Gedanken über das Grundgerüst für ein gelingendes Familienleben. Wie du als Vater deine Denkmuster aufbrechen und überprüfen kannst, möchte ich dir jetzt vorstellen.

Die Situation bevor du Vater bist

Stell dir eine Pyramide vor, an dessen Spitze die wichtigste Person in meinem Leben steht: Du selbst, also dein »ICH«. Wir streben nach dem Ziel der inneren Zufriedenheit und Glückseligkeit. Manchen gelingt das gut, anderen eher weniger gut. Einige wissen das, andere noch nicht. Ich nehme an, dass du in einer Partnerschaft bist und auch mit dieser Frau Kinder haben möchtest. Nach dem »ICH« folgt in der Reihenfolge der wichtigsten Menschen die »Partnerschaft«. In stabilen Beziehungen ist eine Partnerschaft dann glücklich, wenn das »ICH« glücklich ist. Erst danach kommen »Freunde« und Bekannte, die für die Zufriedenheit ebenso wichtig sind. Die Qualitätszeit, die dein Tag hat, verbringst du der Wichtigkeit nach mit diesen Menschen.

Was hat das ganze jetzt mit Vaterschaft zutun?

Veränderung steht an, du wirst Vater. 40 Wochen kannst du dich auf die neue Rolle vorbereiten. Leider liegt dem Baby kein Beipackzettel bei und so richtig weißt du nicht, wie du deine Frau unterstützen kannst. Bei ihr scheint alles so super zu funktionieren, wie ein Programm. Du gibst dir Mühe, aber so richtig viel kannst du ja nicht machen. Das Baby will nur schlafen, trinken und braucht neue Windeln. Schon sind die 4 Wochen Elternzeit vorbei und du bist wieder im Job gefangen. Deine Frau ist mit dem Baby beschäftigt und du weißt nicht so richtig, was jetzt zu tun ist.

Mit deiner Elternschaft begibst du dich ins Rampenlicht und offenbarst, welcher Typ Vater du bist. Du machst dein Rollenverständnis von Vaterschaft sozusagen öffentlich, ohne es zu wollen. Deckt sich diese Selbstoffenbarung mit den Annahmen deiner Partnerin?

Die nächste Hürde ist also die Vaterschaft. Denn hinzu kommen Kinder mit Bedürfnissen, die befriedigt werden wollen. Sie wollen psychisch starke und stabile Persönlichkeiten werden. Die brauchen eine stabile Bindung zu den Eltern. Die Frage ist jetzt, wie gut gelingt dir die Transformation aus deiner alten Welt ohne Kinder (Pyramide oben) in die neue Welt mit psychisch stabilen Kindern (dazu kommen wir jetzt)?! Dabei meine ich nicht nur die offensichtliche Verantwortung deines Kindes gegenüber, sondern auch deines Partners und vor allem dir gegenüber. Ich glaube, das gelingt nur den wenigsten.

Change Management in der Familie

Du bist jetzt Papa und kannst deine Skills von der Erwerbsarbeit nutzen, um den Wandel in der Familie aktiv mitzugestalten. Dein Kind nimmt plötzlich die erste Stelle ein. Die Grundbedürfnisse müssen zu allererst erfüllt werden. Hat es Hunger, muss es essen. Ist die Windel voll, muss es gewickelt werden. Braucht es Nähe, trägst du es. Ist es krank, pflegst du es. Will es spielen, spielt du. Dein Kind braucht eine stabile Bindung. Anschließend erst kümmerst du dich um deine Partnerschaft. Du arbeitest die Erfahrungen und Erlebnisse mit deinem Kind auf und pflegst deine Beziehung zur Partnerin. Schließlich bist du Teil der Partnerschaft. Anschließend, also wenn Kinder und Partnerschaft zufrieden sind, hast du Zeit, dich um deine Bedürfnisse zu kümmern. Sport, Literatur, Bildung, Arbeit, Natur, Ausgleich, ganz egal. Tue das, was dir gut tut. Jetzt siehst du, dass Freunde in der Qualitätszeit Platz 4 einnehmen.

Jetzt wirst du dich fragen, warum »ICH« nicht an erster Stelle stehe. Denn wenn es mir gut geht, dann habe ich Energie und Kraft, die ich meinem Kind und meiner Partnerin geben kann! Das mag sein, doch es geht um »Qualitätszeit«. Damit meine ich, Zeit, die sinnvoll mit Liebe und Fürsorge gefüllt ist.

Wenn das die Lösung ist, möchte ich mein Problem zurück!

Und genau hier liegt meiner Meinung nach die Ablehnung vieler Väter. Die mangelnde Bereitschaft zu erkennen, dass sie nicht mehr an erster Stelle stehen, sondern vom Kind und der Partnerschaft auf Platz 3 zurückgestuft wurden. Ich denke, dass sich viele Väter mit ihren Bedürfnissen nach wie vor an erster Stelle sehen. In meinem Umfeld gibt es solche Väter, die mehr arbeiten, seitdem sie Kinder haben. Im Laufe der Zeit wundern sich dann die Väter, warum sie keine Beziehung zu ihrem Kind aufgebaut haben und die Partnerschaft auch nicht so prickelnd läuft. Immer ist das Kind an erster Stelle. Ja, warum nur? Zum Thema »maternal gatekeeping« hat Jochen König ein paar gute Beiträge verfasst. Schaut mal rüber zu ihm!

Um eine gut funktionierende Familie, Partnerschaft und ausgeglichenes ICH zu haben, müssen auch Väter die Veränderung mittragen. In meinen Augen muss die Veränderung vor allem bei den Männern stattfinden. Nämlich zu erkennen, dass ihre Bedürfnisse nicht mehr an erster Stelle stehen. Also liebe Männer, tretet zwei Schritte zurück, reduziert die Lohnarbeit, engagiert euch in der Care-Arbeit, damit eure Partnerschaft ausgeglichen ist und eure Kinder psychisch starke Persönlichkeiten werden.

Jetzt bin ich aber gespannt, wie du zu dem Modell mit der Pyramide stehst und was deine Gedanken dazu sind. Gehst du da mit oder hast du noch andere Ideen und Ansätze. Was gefällt dir nicht daran und woran habe ich vielleicht nicht gedacht? Ich bin gespannt und freue mich vorn dir zu lesen! Hinterlasse mir eifach einen Kommentar!

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Aussöhnung mit dem eigenen Vater

Sobald du Vater wirst, setzt du dich zwangsläufig mit deiner neuen Rolle auseinander. Das passiert bewusst oder unbewusst. Fest steht jedenfalls, dass äußere Faktoren auf dich einwirken und dich beeinflussen. Vaterschaft wird dann oft auf seine Vorbildfunktion reduziert. Sei ein guter Vater für deine Kinder, heißt es dann schnell. Dabei ist Vaterschaft und Vater Sein mehr als ein ‚gutes Vorbild‘ sein. Aktive Vaterschaft ist auch immer eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Vaterbild und dem Vater, der uns geprägt hat.

Responses

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  1. Toll!! Wirklich. Du bringst die Sache auf den Punkt.
    Ich glaub mein Mann hat das meistens ziemlich gut verstanden und schon so gemacht. Nur, dass er sich oft von den Bedürfnissen der Kinder nicht so furchtbar stressen lässt wie ich 😉
    Danke für den Artikel!!
    Alles Liebe, Claudia <3

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