Warum ich meine Frau nicht bei der Erziehung unserer Kinder unterstütze
Die Geschichte der Emanzipation im Patriarchat ist Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte alt. Trotzdem oder gerade deswegen wehre ich mich dagegen, meine Frau bei der Erziehung unserer Kinder zu unterstützen. Die Gründe sowie zwei Motive möchte ich dir heute vorstellen.
Aufgewachsen bin ich in einer traditionellen Familie mit Mutter, Vater und drei jüngeren Geschwistern. In unserem 4.000 Seelen Dorf mitten im Münsterland war es üblich, dass der Mann arbeitet und die Frau sich um die Kinder kümmert. Mindestens so lange, bis die Kinder in die Schule gehen. Danach gingen viele Mütter wieder arbeiten; als Kassiererin, als Erzieherin oder als Putzfrau. In Teilzeit. Vormittags. Die Kinder kamen schließlich mittags zum Essen wieder nach Hause. Offenen Ganztags gab es damals noch nicht.
Motiv klassische Rollenverteilung
Die Aufgaben sind also klar verteilt. Der Mann bringt das Geld nach Hause, die Frau ist für den Haushalt und die Erziehung der Kinder verantwortlich. Soweit nichts Verwerfliches. Wurde schon immer so gemacht. Warum sollte der Mann auch seine Karriere unterbrechen und damit die Familie auf viel Geld verzichten? Warum sollte er die Kinder erziehen? Schließlich hat die Frau doch mehr Ahnung von Kindererziehung.
Es ergibt für die meisten Eltern keinen Sinn, dass sich der Vater um die Kinder, geschweige denn um den Haushalt kümmert. Viel einfacher ist es doch, wenn jeder seinen zugeteilten Bereich hat und ihn eigenverantwortlich ausfüllt. Außerdem möchten die Frauen nicht, dass in ihren Bereich hineingepfuscht wird. Sobald der Mann Unterstützung anbietet, bringt er eh nur Unruhe in ihren Arbeitsablauf. Gleichzeitig will der Mann in Ruhe der Arbeit nachgehen und seinen Teil der Abmachung erfüllen.
Wo bleibt die Dankbarkeit?
Die männliche Verantwortung ist also sehr groß, denn schließlich bringt der Mann das Geld nach Hause. Davon kann die Frau sich den Lebensstil leisten, die Kinder den Sportverein und die gesamte Familie den Urlaub. Ein bisschen Dankbarkeit kann der Mann dafür schon erwarten, denn ohne seinen Einsatz wäre das Leben so nicht möglich. Immerhin muss ja auch noch die Hypothek vom Haus abbezahlt werden.
Der Mann fragt sich jetzt also zurecht: „Wo soll ich jetzt noch meine Frau bei der Erziehung unserer Kinder unterstützen? Die Aufgaben sind klar verteilt. Jeder fühlt sich wohl, wir sind eine glückliche Familie!“ Immerhin sieht der Mann seine Kinder doch am Wochenende und bringt sie, wenn er es zeitlich schafft, abends ins Bett. Reicht das nicht?
Stopp! Halt! Cut!
In dem Wort Erziehung steckt das Verb „ziehen“. Für mich bedeutet es so viel wie „ich ziehe mein Kind dahin, wohin ich es haben will“. Mir geht es als Vater nicht um das „Ziehen“ in eine Richtung, sondern um das Begleiten meiner Kinder. Dabei orientiere ich mich an Jesper Juul und unterscheide zwischen Wünschen und Bedürfnissen. Wünsche können erfüllt werden, Bedürfnisse sollten erfüllt werden.
Bedürfnisse sind wie ein Gericht in einem Schnellkochtopf. Steht es auf dem Herd und wird erhitzt, baut sich Druck auf, der nicht entweichen kann. Dem Bedürfnis des Wasserdampfes zu entweichen sollte nachgegeben werden, sonst explodiert der Topf.
Wünsche sind hingegen wie Bitten. Sie sind nicht überlebenswichtig. Vielmehr sind sie die Kirsche auf der Sahnetorte. Kann, muss aber nicht. Um herauszufinden, ob es sich um Bedürfnisse oder Wünsche handelt, muss ich im ständigen Kontakt mit mir selber und meinem Umfeld sein.
Motiv neue Vaterrolle
In der Überschrift des Beitrages versteckt sich auch eine Haltung: „Meine Frau braucht Unterstützung.“ Unser Familienmodell basiert aber auf einer anderen Vaterrolle. Ganz bewusst haben wir uns für ein paritätisches Modell entschieden, indem sich beide Elternteile verantwortlich und zuständig fühlen. Meine Frau arbeitet in Teilzeit und verdient Geld für die Familie, genau wie ich es tue. Ich schmeiße den Haushalt und kümmere mich um die Kinder, genau wie sie es tut.
Weder sie noch ich benötigen die Unterstützung des jeweils anderen. Weil wir im ständigem Austausch und Kontakt sind, haben wir mehr Zeit für unsere Kinder und die Paarbeziehung. Die Beziehung zu meinen Kindern und mir als Vater ist genauso eng und innig, wie zu meiner Frau, ohne dass wir uns gleichen. Dafür verzichte ich gerne auf Geld und erlebe mehr Qualitätszeit mit meiner Familie. Was auf der Strecke bleibt, ist die Zeit mich mich und für alte Freunde.
Mehr Achtsamkeit in der Familie
Eigentlich wollte ich einen Beitrag über Achtsamkeit schreiben. Doch irgendwie bin ich bei diesem Thema gelandet. Seit fast zehn Jahren löse ich mich nun schon bewusst von dem oben beschriebenen traditionellen Familienmodell. Leider klappt die Transformation nicht immer so, wie ich sie mir wünsche. Dann denke und rede ich, wie mein Vater es getan hat.
Glücklicherweise habe ich eine selbstbestimmte Frau, die mich auf meinem Weg hin zu einem liebevollen und verständnisvollen Vater unterstützt. Zwinkersmilie.
Wie sind deine Gedanken zum traditionellen und modernen Familienbild? Welche Erfahrungen machst du oder hast du als Vater gemacht? Bist du vielleicht ein Vater, der sich mehr Zufriedenheit und Gelassenheit in der Familie wünscht?
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