Papipedia. Alles, was Väter und ihre Kinder brauchen.

Seit Ingeborg Stadelmann im Jahr 1994 ihr Standardwerk „Die Hebammensprechstunde“ veröffentlichte, sind unzählige Eltern-Ratgeber veröffentlicht worden. Auch wir haben uns mit diesem Klassiker auf die anstehende Geburt unserer beiden Kinder vorbereitet. Hatten wir in der Schwangerschaft unseres ersten Kindes noch zahlreiche weitere Ratgeber gekauft und sogar gelesen (!), war es beim zweiten Kind nur der Klassiker von Ingeborg Stadelmann. Meine große Enttäuschung war das Buch „Oje, ich wachse!“ von Hetty van de Rijt, Frans X. Plooij und Jan Jutte. Vielleicht, weil es mir von zu vielen Menschen als „das beste Buch zur Vorbereitung“ empfohlen wurde, oder weil es vielleicht zu wenig den Papa im Fokus hatte. Ich weiß es nicht mehr.

Aber darum soll es in dieser Rezension nicht gehen. Denn Christian Gaca hat im Oktober 2019 mit PAPIPEDIA ein „Lösungsbuch für fast alle alltäglichen Papa-Probleme“ herausgebracht. Das im Gräfe und Unzer Verlag erschienene Buch hat 208 Seiten und eine Größe von fast DIN A5. Das Papier hat eine sehr gute Haptik und die Serifen-Schrift liest sich sehr angenehm. Das Buch teilt sich grob in 4 Bereiche auf: Vorwort, Hauptteil, Glossar und Service.

Aus dem Inhaltsverzeichnis

Dem Vorwort schließt sich der Hauptteil des Buches an, der noch einmal in vier Kapitel unterteilt ist. „Schwangerschaft“, „Geburt“, „Das Wochenbett“ sowie „Das erste Babyjahr als Vater“. Dem schließt sich auf 20 Seiten das Glossar an, wo Begriffe erklärt werden und auf entsprechende Stellen im Buch verwiesen wird. Wer dann noch weitere Informationen über das Buch hinaus benötigt findet im Kapitel „Service“ neben Büchern zu Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett, Babys und Kinder sowie Vaterschaft auch Adressen zu Informations- und Beratungsstellen sowie Blogs. Dieser ist nicht dabei, schade.

Über das Buch

PAPIPEDIA liest sich leicht von der Hand und versorgt den Leser mit den wichtigsten Informationen von Schwangerschaft über Geburt bis ins erste Lebensjahr. Dabei schafft es der Autor sehr elegant, kein weiteres „und das passiert im Körper der Frau“ Buch zu schreiben. Stattdessen beschreibt er jeweils zu Beginn eines Kapitels auf wenigen Seiten nur die wesentlichen Eckdaten, um im jeweiligen Unterkapitel den Fokus auf die psycho-emotionalen Gefühlslagen der Väter zu setzen. Vele Unterkapitel werden mit der eigenen Erfahrung des Autors oder anderer Väter abgeschlossen. In „So war es bei mir: Fehlgeburt und der Umgang damit“ beschreibt Gaca zum Beispiel seine Erfahrungen über den Verlust des Fetus in der Schwangerschaft. Er stellt treffend dar, dass sich bei ihm zwar körperlich nichts verändert, aber das Gedankenkarussel sofort los dreht (S. 33f).

„Ich hatte die Tendenz, das Thema sofort abhaken zu wollen. Doch so einfach ist das nicht. Eine Fehlgeburt hat Auswirkungen auf die gesamte Familie und vielleicht auch auf noch folgende Babyzeiten. Die Zukunft die ich mir ausgemalt hatte, sie war weg. »Einfach« so. Und über eine Fehlgeburt redet man nicht. Männer noch weniger als Frauen. Mir war zum Heulen zumute, aber ich »musste« den Zusammenbruch von Anja irgendwie auffangen und abfedern. […] Man muss da durch. Man muss anfangen, darüber zu reden. Mit sich und anderen. Der offensive und offene Umgang hat mir geholfen. Er hat uns geholfen.“

Gaca gelingt mit PAPIPEDIA einen Ratgeber zu schreiben, der unaufdringlich und ohne erhobenem Zeigefinger auskommt. Selbst bei schwierigen Themen, wie Elternzeit oder Zurück in den (Job-)Alltag bekommt der Leser nicht das Gefühl, in eine Richtung gedrängt zu werden. Vaterschaft ist so vielfältig und Gaca macht die richtigen Angebote. Er zeigt sämtliche Felder von elterschaftlichen Aufgaben auf, die im besten Falle gleichberechtigt verteilt werden sollen. Sämtliche Herausforderungen, wie Spielen mit dem Kind, wenn das Baby schreit oder Wickeln, Windeln, windelfrei?; Gaca wägt ab, gibt Pro und Contra und verweist immer wieder auf wissenschaftliche Erkenntnisse, ohne dabei die Entscheidung abzunehmen. Vielmehr nimmt er den Leser an die Hand und ist wie ein guter Freund, der sagt „Egal, wie du wickelst – mach es »slow« (S. 134).

„Beim Wickeln und abhalten, beim Baden und Anziehen kannst du als Vater eure Bindung prima vertiefen. Mac alles, was du tust, langsam und bleibt (sic!) mit deiner Aufmerksamkeit beim Kind. Vermeide jede Hektik. Keiner mag es, wenn er hastig und nebenbei »abgefertigt« wird. Nimm dir also Zeit.“

Das Buch will kein Ratgeber sein, sondern begleitet den werdenden Vater durch die Schwangerschaft und zeigt nahezu alles auf, mit dem er konfrontiert wird. Brauchen wir einen Kinderwagen, brauchen wir ein größeres Auto und was ist mit Elternzeit? Gaca gelingt es, diese Themen gleichberechtigt und unaufdringlich zu beantworten und gibt hier und da eine Entscheidungshilfe. Alles kann, nichts muss. Jede Familie tickt anders und das beherzigt Gaca von der ersten bis zur letzten Seite. Die anstehenden Veränderungen betreffen die ganze Familie, sodass auch das Thema »Mental Load«nicht ausgespart wird. Ein wichtiger Punkt, der in der gegenwärtigen Diskussion stark weiblich besetzt ist. Hier bietet Gaca eine, wenn auch knappe, Sicht auf die mentalen Belastungen rund um Familie, Kind und Partnerschaft aus männlicher Sicht.

Fazit

Nahezu jedes Feld von Kinder kriegen bis zur Entscheidung über weitere Kinder wird in diesem Ratgeber besprochen. Gaca nimmt die Väter mit auf eine Reise und ist wie ein guter Freund, der den Überblick behält, wie der Beipackzettel mit den Sicherheitshinweisen für eine gelingende Vaterschaft. Er gibt Antworten auf Fragen, die nur wenige Väter stellen. Ist dabei weder wertend noch verurteilend, sondern Begleiter, Ideengeber und Mutmacher. Gaca bestärkt den Leser, sich selber und seinen Job nicht so wichtig zu nehmen und nimmt ihm die Ängste und Sorgen für die neue Rolle als Vater. Er macht Mut, sich aktiv für seine Familie einzusetzen, Elternzeit zu nehmen und eine gleichberechtigte Rolle in der Partnerschaft einzunehmen. Dabei macht er stets Angebote, die wie ein »du darfst das« wirken und weniger wie ein »du musst aber«.

Beim Lesen hatte ich nur einen kleinen Kritikpunkt. Der Bereich »Mental Load« kam mir persönlich zu kurz. Wenige Männer sind bereit, sich gleichberechtigt am Haushalt und bei der Erziehung zu beteiligen. Ihre Rolle ist die des Familienernährers, der nicht weiß, welche Kleidergröße seine Kinder haben oder wann die nächste Vorsorgeuntersuchung ist. Die Gründe sind so vielfältig und die Herausforderung so groß, sodass ich mir hier eine detailliertere Perspektive gewünscht hätte. Das tut dem Buch aber keinen Abbruch und ist wahrscheinlich meiner selektiven Wahrnehmung geschuldet. Gut, dass »Mental Load« angesprochen wird, damit werdenden Väter zumindest davon gelesen haben.

Das Buch hat mir außerordentlich gut gefallen, weil es eben kein Ratgeber im klassischen Sinne ist, sondern mehr ein Mutmach- und Lösungsbuch ist. Auch wenn für mich das Thema »Mental Load« ein wenig zu kurz vorkam denke ich, dass es genau richtig ist. PAPIPEDIA überfordert nicht beim Lesen sondern lädt ein, mehr zu erfahren. Es kann jederzeit zur Seite gelegt und an anderer Stelle begonnen werden. Das Buch werde ich mit absoluter Sicherheit werdenden Vätern in meinem Umfeld schenken (ja, so übergriffig bin ich!) und freue mich auf deren Reaktionen. Der erste Schritt ist getan, das Buch ist da. Jetzt muss es nur noch gelesen werden. Oder vielmehr: jetzt darf es gelesen werden.

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Aussöhnung mit dem eigenen Vater

Sobald du Vater wirst, setzt du dich zwangsläufig mit deiner neuen Rolle auseinander. Das passiert bewusst oder unbewusst. Fest steht jedenfalls, dass äußere Faktoren auf dich einwirken und dich beeinflussen. Vaterschaft wird dann oft auf seine Vorbildfunktion reduziert. Sei ein guter Vater für deine Kinder, heißt es dann schnell. Dabei ist Vaterschaft und Vater Sein mehr als ein ‚gutes Vorbild‘ sein. Aktive Vaterschaft ist auch immer eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Vaterbild und dem Vater, der uns geprägt hat.

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