Wie handlungsbegleitetes Sprechen den Alltag erleichtert

Heute möchte ich euch über eine Erkenntnis berichten. Es geht um Babysprache und Nicht-Babysprache, um Kommunikation und wie ich die Sprache meiner Tochter gelernt habe. Kurzum: Es geht um handlungsbegleitetes Sprechen.

Kommunikation mit dem Baby

Was um Himmels Willen möchte dieses Baby von mir? Dieses Baby, das ist mein Baby. Und dieser verzweifelte Typ vor diesem Baby bin ich. Es geht mal wieder um unsere Kommunikation. Quengelei hier, Quengelei da, nögel nörgel meck meck meck. Spontane Weinanfälle inklusive. Schon vor der Elternzeit habe ich mich in solchen Momenten immer gefragt, warum die Kleine jetzt schreit, quengelt oder so derbe unruhig auf meinem Arm ist. Schwer auszuhalten, schwer zu beruhigen und irgendwie kräftezehrend. Bei uns beiden. Dann ging es auf Ursachensuche: Volle Windel? Hunger, Durst oder doch nur müde? Deutliche Signale kamen meist von mir und nicht von ihr. Ha! Denkste!

Wir haben ein Empfänger-Problem

Deutliche Signale zeigt das Baby, nur nehme ich sie nicht wahr. Ein „lödelö“ kann alles und nichts bedeuten. Ich muss den Kontext beachten. Weinen ist oft das letztes Mittel, um mir zu signalisieren „ey Alter, checkste nich? Ich hab Hunger! Idiot!“ Doch wie kommuniziere ich mit dem Baby? Und wie baue ich einen guten, wertschätzenden Draht zu ihr auf? Ich stelle fest, dass ich hier das Problem bin. „Du sag‘ mal, wieso klappt das mit euch beiden so super, bei mir aber irgendwie nicht?“ Ich suche Rat bei meiner Frau. „Können doch nicht nur die Mutterinstinkte sein, oder?“ Als Sprach- und Schlucktherapeutin auf Intensivstation hat sie schließlich auch mit den ganz harten Fällen zu tun. Aphasiepatienten behandelt sie täglich. Schon kurz nach einem Schlaganfall bekommen die Patienten Therapie. Vielleicht hat sie ja einen Tipp.

Handlungsbegleitetes Sprechen

„Versuch doch mal alles was du tust, zu beschreiben.“ Aha, toller Tipp. Wie soll das aussehen? „Mit der rechten Hand greife ich zum Nutellaglas, mit der linken Hand drehe ich den weißen Deckel vorsichtig ab…“ so etwa? Sie lächelt und erklärt mir, was sie meint. Handlungsbegleitetes Sprechen bedeutet, dass jede Handlung verbalisiert wird. In der Therapie gibt die Therapeutin dem Patienten dadurch Sicherheit und Kontrolle. Falls ihm etwas nicht gefällt, kann er sofort ein Signal geben, obwohl er nicht sprechen kann. Sicherheit bekommt er, weil er immer weiß, was gerade passiert. Klingt logisch. Auch Vermutungen werden geäußert. Ich erinnere mich an meine Weiterbildung zum systemischen Berater. Eine Methode heißt „lautes Denken“. Alles, was uns durch den Kopf geht, wird sofort geäußert. Ui ui ui, ob das gut geht?

Seit ein paar Wochen artikuliere ich also nahezu alles, was ich mache. Das fängt morgens schon beim Aufstehen an. „Guten Morgen, hast du gut geschlafen? Komm, wir gehen jetzt in die Küche und frühstücken. Ach, wir wollen ja vorher die Windel wechsel, mal schauen, ob die wieder so schwer ist, wie letzte Nacht…“ Und, was soll ich sagen. Es klappt. Und mittlerweile so gut, dass ich erkenne, wann sie die Windeln gewechselt haben möchte, wann sie etwas essen möchte und wann sie müde wird. Es braucht keine Uhr, keine feuchten Bodys oder knurrende Mägen. Sie krabbelt zum Wickeltisch, sie fängt an zu schmatzen und wenn sie müde wird, dann möchte sie auf den Arm und legt ihren Kopf auf meine Schulter. Das ist richtig schön.

Es wirkt

Seitdem ist es richtig entspannt bei uns beiden. Wahrscheinlich sind wir uns auch deshalb so nahe. Zwar habe ich nach wie vor keine Zeit für mich, aber die Tage sind stressfrei. Aufstehen, Essen, Wickeln und Schlafen gehen klappen so reibungslos, wie ich es mir immer gewünscht habe. Gleichzeitig denke ich nicht, dass ich etwas verpasse oder unsere Tochter „verziehe“. Vielmehr unterstützt die Art der Kommunikation eine bedürfnisorientierte Erziehung (ich mag das Wort nicht, aber mir fällt grad nicht besseres ein. Begleitung vielleicht). Für mich eine so tolle Erkenntnis und ein absolutes Highlight in den letzten Wochen.

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