Wir brauchen einen verpflichtenden Mutterschutz für Väter

Mit der Geburt meines Sohnes vor einem Jahr habe ich wieder Elternzeit genommen. Zwar nur einen Monat, wie es die meisten Väter tun, aber meine Frau hatte ja zwei Monate Mutterschutz und sollte eh erst in neun Monaten zurück in den Job kehren. Danach würde ich in Elternzeit gehen. Also alles easy peasy? Denkste!

Mit einem kleinen Baby und einem großen Kind ändert sich das Familienleben noch mal stark. Die Bedürfnisse der großen Schwester rücken an zweite Stelle, denn das Baby will versorgt werden. Obwohl wir die Geburt des Brüderchen lange vorbereitet haben, gab es Widerstände. Klar. Hinzu kommt die beginnende Autonomie-Phase der Großen, die eh schon ein sehr gefühlsstarkes Kind ist.

Meine Frau und ich arbeiten beide in Teilzeit. Die gesamte Lohnarbeit zusammen liegt bei 50 Stunden, 30 sie und 20 ich. Es ist also immer jemand bei den Kindern, denn einer arbeitet vormittags, der andere nachmittags. Trotzdem haben auch wir große und kleine Schwierigkeiten im Familienalltag gehabt und fragen uns ständig: „Wie machen das die anderen Familien?“ und geht es nicht auch ander? 

Andere Familien schaffen das doch auch, oder?

Einem Monat nach der Geburt von K2 bin ich also wieder zurück in den Job gegangen. Vormittags war meine Frau nun mit einem Kleinkind, einem Baby und dem Haushalt alleine. Oma und Opa unterstützen uns wie selbstverständlich und sobald ich gegen 12 Uhr nach Hause kam, habe ich meinen Anteil am Familienleben übernommen. Aber was mit einem Kind noch alles einfach machbar war, gestaltete sich mit zwei Kindern schwieriger.

Die große Schwester buhlte um Aufmerksamkeit und hatte Sorge, dass ihre Bedürfnisse nicht mehr gesehen werden. Wurden sie, aber sie konnten nicht sofort befriedigt werden. Sei es spazieren gehen, auf dem Spielplatz spielen, vorlesen oder gemeinsam Essen. Alles dauert auf einmal länger, weil das Baby da war. Außerdem mussten sie jetzt leiser spielen, wenn der Kleine schläft. In die Kita ist sie erst ein Jahr später gegangen, mit 3,5 Jahren. Das war uns wichtig.

Sobald ich zu Hause war und unterstützen konnte, lief es problemloser. Wenn ich jedoch auf der Arbeit war, war es anstrengend für Corinna. Sie hat sich dann oft mit dem Baby zurückgezogen und sich schlafen gelegt. Kräfte tanken für die Zeit, in der ich nicht da sein werde. Abends haben wir uns dann hingesetzt und über die Situation gesprochen. Wieso fällt es uns so schwer und wie machen das andere Familien?

Rechte sind keine Privilegien

Im Film „We Want Sex“ kämpfen britische Frauen in den Ford-Werken für gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit. Während einer Auseinandersetzung mit ihrem Ehemann ruft die Protagonistin ihm zu: „Rechte sind keine Privilegien“. Ich denke, dieser Satz bringt die Misere der Gleichberechtigung auf den Punkt. Wir stecken immer noch in einem alten Rollenbild fest, in dem die Frau die Kinder betreut und der Mann arbeiten geht.

Dass ich meine Aufgaben als Vater, Mann und Partner in der Familie übernehme, ist (m)eine Selbstverständlichkeit. Wir leben das Modell 50:50 nicht nur auf dem Papier, sondern teilen uns die Aufgaben auf. Dazu gehören sowohl die Care-Arbeit als auch die Denkarbeit. Zudem haben wir Zuständigkeiten geregelt, die den Alltag noch mehr entlasten. Das fiel nicht vom Himmel sondern hat sich mit der Zeit ergeben.

Meine Frau ist nicht privilegiert, weil ich ein aktiver Mann, Vater und Hausmann bin. Es ist nur gerecht, dass ich mich gleichberechtigt beteilige. Und das tue ich nicht, weil meine Frau 10 Stunden mehr arbeitet als ich, sondern weil es mein und unser verdammtes Recht ist! Corinna muss nicht dankbar sein und wir müssen uns auch nicht mit anderen vergleichen á la „ich hätte auch einen anderen Mann haben können, danke!“ Ja, ich hätte aber auch eine andere Frau haben können. Habe ich aber nicht, weil ich immer für eine gleichberechtigte Partnerschaft eingestanden bin. Anderes habe ich nie akzeptiert. 

Das Familien-System verändert sich

Natürlich bin ich mit diesem Denken nicht auf die Welt gekommen. Natürlich hat mich die Sozialisation geprägt und ja, erst mein Studium und das Leben mit meiner Frau haben mich zu dem gemacht, der ich heute bin. Dank der ersten Elternzeit habe ich erkannt, wie schädlich die Lohnarbeit für ein Familienleben und die Partnerschaft sein kann. Wie viel Familienzeit und Bindung zu meinem Kind mir verloren geht. Damals habe ich viel am Wochenende und abends gearbeitet.

Mit der Erfahrung der zweiten Schwangerschaft und Geburt habe ich erkannt, wie wichtig der Support des Vaters für die Mutter und für die ganze Familie ist. Jetzt stell dir vor, der Mann geht einen Monat nach der Geburt von K2 oder K3 wieder in Vollzeit arbeiten?! Im Bekannten- und Freundeskreis, die keine engen sozialen Kontakte oder Familie im nahen Umfeld haben, bekomme ich es täglich mit. Die Mutter organisiert, kümmert, begleitet, erzieht und macht einfach alles mit den Kindern und den Haushalt. Dabei hat sie keine Zeit für sich selber. Sie ist mit dem Mental Load alleine.

Während der Mann also auf der Arbeit die Welt rettet, abends nach Hause kommt und mit den Kindern noch eine oder zwei Stunden spielt, räumt die Mutter auf und kann vielleicht mal in Ruhe duschen oder auf die Toilette. Oder sich um das Neugeborene kümmern. Die Geburt des zweiten Kindes ist für das „System Familie“ eine starke Veränderung, in der viel in Bewegung kommt. Rollen verteilen sich neu und Beziehungen ordnen sich anders. Der Vater ist Teil dieses Systems und seine Präsens (oder Abwesenheit) hat entscheidenden Einfluss auf das Gelingen der Familienordnung.

6 plus 8 Wochen Vaterschutz

Damit alle Familienmitglieder Zeit finden, sich ihren Platz zu suchen, sich darin einzurichten und in eine gegenseitige Beziehung zu gehen, braucht es Zeit. Diese Zeit räumt der Gesetzgeber der Mutter ein, indem er ihr 8 Wochen Mutterschutz gewährt.

Es braucht allerdings auch für den Vater eine Schutzzeit für die Familie, damit die System-Veränderung gelingen kann. Es braucht einen Vaterschutz, der ebenfalls 8 Wochen dauert und in dem der Mann Elterngeld beziehen muss. Gleichzeitig muss es weitere Anreize für Väter geben, hinterher in Teilzeit gehen zu dürfen. Hier sind vor allem strukturelle Veränderungen gemeint. Zum Beispiel könnte der Staat für den Ausfall des Vaters für mindestens 6 Monate den Lohn zahlen oder einen Ersatz finanzieren.

Große Unternehmen haben sich bereits auf den Weg gemacht und zahlen Vätern volles Gehalt während ihrer Elternzeit. Aus der Politik kommt im Moment herzlich wenig, denn der Ausbau von Kita Plätzen ist wichtiger, als Anreizmodelle für Väter, in Elternzeit zu gehen. Das wird leider auf dem Rücken der Kinder ausgetragen, die viel zu früh in die Fremdbetreuung gegegeben werden. Stattdessen sollten Väter ihre Arbeitszeit reduzieren können, um ihren Anteil an Familienarbeit zu leisten.

Männer, nehmt lange Elternzeit!

Vielleicht muss es kein Mutterschutz für Väter sein. Es darf auch Vaterschutz heißen. Oder gleich Elternschutz. Wobei wir bereits die Elternzeit haben und die beiden Schutzzeiten sich aufheben würden. So oder so braucht es eine strukturelle Veränderung und 8 Wochen verpflichtende Schutzzeit für die Familie. Jeder Mann kann sein individuelles Verhalten verändern, doch sobald er an strukturelle Grenzen stößt, wird auch er diskriminiert!

Seit Mai 2019 bin ich für 2,5 Jahre in Elternzeit und genieße die Zeit sehr, auch wenn sie immer wieder richtig anstrengend sein kann. Unsere Große ist seit August 2019 in der Kita und unser Kleiner aus dem Baby-Alter raus. Meine Frau arbeitet wieder in Teilzeit und mir ist es wichtig, meine Erfahrungen weiterzugeben. Und wer weiß, vielleicht erreiche ich ja genau dich damit! Nimm Elternzeit, reduziere deine Arbeitszeit und werde ein aktiver und sichtbarer Vater!

Es lohnt sich!

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Responses

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  1. Konsequent bitte auch denselben Kündigungsschutz für Väter fordern!
    Ein unterschätztes Problem für Männer ist der kaum existente Kündigungsschutz. Dieser greift erst 8 Wochen vor der geplanten Elternzeit (und diese muss mindestens 7 Wochen vor Antritt beantragt werden).
    Ist in meinem Umfeld mehrfach passiert: Partnerin ist schwanger (und genießt Kündigungsschutz), Mann fragt frühzeitig beim Arbeitgeber wegen der Möglichkeiten nach, Kündigung folgt…

    1. Vielen Dank für den Kommentar. Ich bin sehr überrascht, wie schnell der Artikel durch die Decke geschossen ist (im Vergleich zu meinen anderen Artikeln). Daher ist nicht alles sauber ausformuliert und wichtige Punkte fehlen. So der Kündigungsschutz oder die finanzielle Sicht auf Elternzeit/Mutterschutz. Ich danke dir für die Anregung und nehme sie für weitere Artikel auf!
      LG Heiner Fischer

  2. Moin Heiner, zuerst einmal Glückwunsch, dass du einen Lebensentwurf leben darfst, der für die Kinder, die Familie und vor allen auch für dich entschieden gesünder und besser ist als der der meisten Männer.
    Aber in einem Punkt gehst du voll der feministischen Propaganda auf den Leim: Fast alle in Vollzeit arbeitenden Väter haben nicht einen fancy Job, wo man gemütlich mit den Kollegen ein bisschen abhängt und „die Welt rettet“. Für die meisten ist es harte Fron, Pflichterfüllung und Fürsorge für die Familie. Bei uns im Unternehmen trägt fast jeder jüngere Kollege schwer an der Pflicht, das notwendige Einkommen für die Familie und das Eigenheim zu erwirtschaften, wobei das Eigenheim fast immer „rein zufällig“ genau so groß ist, dass es vom Lohn des Mannes finanziert werden kann.
    Kannst du dir vorstellen, wie es ist, dafür Jahrzehnte die volle Verantwortung zu tragen und täglich in einen Kampf ziehen zu müssen, bei dem Verlieren nicht erlaubt ist?
    Und noch etwas: Ich kenne in meinem Kollegenkreis nicht einen Fall, bei dem die Elternzeit für den Vater am Vorgesetzten oder dem Unternehmen gescheitert ist. Aber ich kenne etliche Fälle, bei denen es an der Frau gescheitert ist. Einem armen Vater in meiner Abteilung wollte die Mutter nicht einmal die 2 Monate zugestehen, da sie sonst hätte Abstriche bei der geplanten Immobilie hätte machen müssen.
    Und von der Pflicht der Lohnarbeit freigestellt zu sein, ist sehr wohl ein Privileg, dass Dank der „tollen“ Errungenschaften des Neoliberalismus heute nur noch wenigen Menschen offensteht.

    1. Moin Rano64,
      vielen Dank für dein Feedback und den ausführlichen Kommentar. Habe mich sehr gefreut. Nun möchte ich dir darauf antworten.
      Ob ich der feministischen Propaganda auf den Leim gehe, kann ich nicht beurteilen. Du gibst Beispiele an, ohne näher auf die Hintergründe einzugehen. Familien sind individuelle Konstellationen und wenn ich dich richtig verstehe, dann ist in deinem Beispiel der Mann der Hauptverdiener. Warum geht die Frau nicht arbeiten und der Mann betreut die Kinder? Oder warum arbeiten nicht beide, vielleicht sogar in Teilzeit, um mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen? Warum müssen diese Familien ein Haus besitzen und abbezahlen, wenn nicht auch wohnen zur Miete möglich wäre?
      Vielleicht hast du es gelesen, aber ich habe keinen fancy Job, genau wie meine Frau keinen hat. Wir arbeiten gerne, aber Teilzeit reicht uns. Nicht weil wir viel Geld verdienen, sondern weil wir es nicht ausgeben. Jedenfalls nicht für ein Haus, für Konsumgüter oder unnützes Zeug. Wir sind beide finanziell unabhängig und verdienen, dafür dass wir studiert haben, echt bescheiden. Wenn es mir ums Geld gegangen wäre, würde ich heute noch in meinem fancy Job als Medienberater arbeiten.
      Als Sozialarbeiter in einem Akutkrankenhaus kann ich dir sagen, dass ich es sehr gut verstehen kann, wenn der Hauptverdiener (meistens der Mann) ausfällt und Kredite, Darlehen oder die Miete nicht mehr gezahlt werden kann. Ja, das ist eine soziale und finanzielle Ungleichheit, die sogar dazu beiträgt, dass Männer eine kürzere Lebenserwartung haben, als Frauen. Dieser Umstand, den du beschreibst („Verantwortung zu tragen und täglich in einen Kampf ziehen zu müssen“) führt zu Stress, Depressionen, Sucht, Abhängigkeit, und im schlimmsten Fall zu Krebs.
      Das Argument, die Frau hat Elternzeit nicht erlaubt, höre ich zum ersten Mal. Auch hier kenne ich die Hintergründe nicht. Vermutlich liegt es an persönlichen Glaubenssätzen des Paares, warum dies nicht möglich ist. Oder weißt du mehr?
      Ich denke, aus dem Artikel geht doch klar hervor, was ich fordere. 8 Wochen verpflichtende Schutzzeit für Väter nach der Geburt des Kindes. Krankenkassen und Arbeitgeber zahlen den Müttern in dieser Zeit übrigens den Lohnersatz! Warum ist das für Väter nicht möglich? Dann hätte die Frau aus deinem Beispiel ein Argument weniger zu fordern, dass ihr Mann keine 2 Monate Elternzeit nehmen darf.
      Ein Gedankenspiel habe ich noch. Stell dir vor, der Mann fällt krankheitsbedingt aus. 6 Wochen zahlt der Arbeitgeber den Lohn weiter. 72 Wochen hat der Mann Anspruch auf Krankengeld von ca. 70% des Brutto Gehalts. Und jetzt kommt’s: Wenn du eine Immobilie abbezahlen musst und in Schwierigkeiten kommst, kannst du sogar dafür Wohngeld beantragen! Mit diesen Menschen arbeite ich im Krankenhaus viel, denn sie haben eine frische Tumor-Diagnose oder sind schon palliativ. Gesundheit wird auf einmal so wichtig, dass sie ihr Leben verändern und anpassen.
      Jetzt stell dir vor, du wirst Vater und hast die Möglichkeit Elternzeit zu nehmen. Eine Zeit, um mit deinen Kindern eine emotionale Bindung aufzubauen und sie nachhaltig zu prägen. Du bekommst sogar Elterngeld (gedeckelt bei 1.800 EUR). Jeder Familie sollte es doch möglich sein, nach der Geburt für 2 Monate Elternzeit zu nehmen, oder?
      Warum sollte für den Vater eine Elternzeit von 2 Monaten ab der Geburt nicht möglich sein, wenn a) finanziell beim Arbeitgeber und Arbeitnehmer alles geregelt ist, b) sogar die Frau Elternzeit nehmen kann und im Betrieb fehlen darf, c) die Aufgaben von Kollegen übernommen wird, d) die Aufgaben bei eine Arbeitsunfähigkeit (AU) auch von Kollegen übernommen wird, e) ein Ersatz für die Zeit geholt werden kann (Leiharbeiter)?
      Vielleicht verstehe ich dich aber auch falsch.
      Herzliche Grüße,
      Heiner

  3. Nachsatz: Mein Vorschlag wäre, dass die staatlich geförderte Elternzeit verbindlich geteilt werden muss und die Frau nicht mehr Monate nehmen darf wie der Mann.

  4. Hallo Heiner,
    super, dass Du hier die Entwicklungen im Auge behältst und es ist schön und motivierend, dass sich hier etwas tut!
    LG, Richard von der papammunity.de

  5. Hi,
    Ansich finde ich das mit dem verpflichtende vaterschutz ne gute Sache. Allerdings müsste das volle Gehalt weiter gezahlt werden. Es gibt leider viele Familien bei denen es finanziell einfach nicjt möglich ist.

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