Blogparade Teilzeit: Lasst uns Teilzeit Geschichten schreiben!

Drüben auf ihrem Blog und auf Twitter hat Melanie zu einer Blogparade aufgerufen. Und weil die letzte Blogparadeschon einige Zeit her ist und mich das Thema „Teilzeit“ betrifft, bekommt ihr jetzt meine Gedanken dazu.

Als ich 2016 Vater wurde hatte ich bereits 13 Arbeits- und Studienjahre hinter mir. Seit zwei Jahren war ich als Bildungsreferent in einem Sportverband tätig. In Vollzeit. Dass ich einmal meine Arbeitszeit reduzieren werde, kam mir bis dahin gar nicht in den Sinn. Trotzdem wusste ich schon als Jugendlicher, dass ich ein aktiver und präsenter Vatersein wollte. Meine Frau und ich planten die Elternzeit gerecht auf, sieben Monate sie, sieben Monate ich. Zunächst hatte ich einen Monat Elternzeit, die ich zum Kennenlernen nutzte. Und natürlich um meine Frau im Wochenbett zu unterstützen. Nach ihren sieben Monaten sollte ich dann die restlichen sechs Monate zu Hause bleiben.

Übrigens arbeite ich gerne und viel. Wenn ich im Flow bin, finde ich kein Halt. Ich kann mich schwer von der Arbeit losreißen und mache lieber mehr als weniger. Mir ist wichtig, dass ich selbstbestimmt arbeiten kann und das Vertrauen dafür bekomme. Gleichzeitig soll das, was ich da mache, einen gesellschaftlichen Mehrwert haben und sinnvoll sein. Langweilige Bullshit Jobs (vgl. Emma Clit, Link führt zu amazon.de) machen mich unzufrieden und lösen in mir einen Veränderungswillen aus.

Klar kannst du Vätermonate nehmen

Meinem Chef hatte ich einige Monate vor Geburt unsere Pläne offenbart und die Elternzeit angemeldet. Seitdem stand ich nicht mehr in seiner Gunst. Mir wurde klar gemacht, dass ich dem Team damit keinen Gefallen tun würde und dass er mein „Verhalten“ nicht gut heißen könne. Er lehnte den Antrag ab. Er und meine Kolleg*innen gaben mir das Gefühl, alle hintergangen zu haben, ein Netbeschmutzer zu sein. Von da an fühlte ich mich nicht mehr wohl und bekam ordentlich Gegenwind. Zum Glück war ich vorbereitet, denn der Antrag ist eine Anmeldung und kann nicht abgelehnt werden. Das verärgerte ihn sehr. Meine Vorfreude auf die Vaterschaft wurde durch dieses Erlebnis arg getrübt. Hatte ich jetzt schon versagt? Ist das eigentlich bei jedem Vater so? Gehört das zum Ritual dazu? Eine Tradition, die ich nicht kannte?

Nach dem ersten Monat Elternzeit sollte es mit diesem schlechten Gefühl im Bauch so weitergehen, wie es aufgehört hatte. In Vollzeit, bei sehr gutem Gehalt aber blöden Arbeitszeiten. In meinem Job als Bildungsreferent arbeitete ich oft am Wochenende und abends, wenn die Ehrenamtlichen unseres Sportverbandes ihrem Hobby nachgingen. Zwar habe ich versucht, mich mit der Familie zu entschuldigen, aber viele Termine musste ich wahrnehmen. Mich frustrierte all das, denn andere Papas bringen um diese Uhrzeit ihre Kinder ins Bett und ich saß bis spät abends in langweiligen Konferenzen. Warum ist es gesellschaftlich normal, wenn Mütter lange in Elternzeit gehen und Väter nur zwei Monate nehmen? Warum ist es legitim, wenn Mütter in Teilzeit zurückkehren, für Väter aber nicht?

Als die sechs Monate endlich rum waren, fuhren wir in unserem VW Bus nach Spanien. Dort entstand auch die Idee für diesen Blog, für diese Seite und überhaupt für mein mittlerweile politisches Engagement im Bereich aktive Vaterschaft. Es kann doch nicht so weitergehen auf der Arbeit, dachte ich mir. Warum freute sich niemand, dass ein Vater Elternzeit nimmt? Alles war doch organisiert. Meine Kollegin in Teilzeit hatte auf eine volle Stelle aufgestockt und im Winter passierte eh nicht so viel, weshalb mein ehrenamtliches Team einiges auffangen konnte. Trotzdem machte ich mir Vorwürfe und gab mir selbst die Schuld für all das. Bis ich mir Anfang Dezember Gedanken für die Zeit nach meiner Elternzeit machte. Wollte ich wirklich zurück? Und wenn ja, zu welchen Bedingungen?

Mich musst du nicht um Erlaubnis fragen

Meine Frau arbeitet seit dem Beginn ihrer Karriere in Teilzeit, 30 Stunden. Sie schwärmte mir immer vor, wie praktisch dieses Modell sei. Von morgens um acht Uhr bis mittags um 14 Uhr zu arbeiten, und dann hast du gefühlt noch den ganzen Tag für dich. Und so groß ist der Lohnverzicht auch nicht. Stimmt eigentlich. Trotzdem kam es mir nie in den Sinn, meine Arbeitszeit zu reduzieren. Bis jetzt. Ich vereinbarte einen Termin mit meinem Chef und fragte ihn, ob ich in Teilzeit zurückkehren könne. Leider lässt das meine Stelle nicht zu und überhaupt sei das so nicht möglich, entgegnete er mir. Wow, damit hatte ich zwar gerechnet, aber die Argumentation war echt fadenscheinig. Das Thema Home-Office sprach ich erst gar nicht an.

Mir fiel es schwer, meine Enttäuschung zu verbergen. Was wäre, wenn ich gar nicht zurückkehre und in Elternzeit bleibe? Was wäre, wenn ich kündige. Ob wir es finanziell schaffen? Meine Frau verdient auf eine Vollzeitstelle gerechnet genau so viel wie ich. Du musst dir selber die Erlaubnis geben, sagte sie mir, während ich in einer Excel-Liste über Einnahmen und Ausgaben versunken war. Aber der Satz saß. Er brachte mir die Erkenntnis, dass ich meinen Teil der Verantwortung für die Familie wahrnehmen muss und eine Entscheidung treffen muss. Denn einen Vater und Partner, der mit den Gedanken ganz woanders ist, kann niemand gebrauchen. Zumal ich gerade in Elternzeit mit dem kleinen Baby war. Also kündigte ich meinen sicheren, unbefristeten, gut bezahlten und interessanten, der mir ein paar Jahre viel Spaß gemacht hat.

Ein paar Tage später fuhr ich also zu einem Termin mit meinem Chef und überreichte ihm meine Kündigung. Mir flatterten die Knie, denn ich wurde natürlich über die Gründe gefragt und ob ich schon etwas Neues hätte. „Also ich bin erst Mal Hausmann“, sagte ich. Außerdem werde ich schon irgendwann etwas passendes finden. Jetzt steht die Familie an erster Stelle. Auf dem Weg nach Hause habe ich geweint. Nein, geheult. Vor Erleichterung, weil so viel Druck von mir abfiel. Endlich war der Knoten in meinem Kopf geplatzt und ich konnte loslassen. Ich glaube das war die mutigste Entscheidung, die ich jemals in meinem beruflichen Leben getroffen habe.

Teilzeit macht zufriedener

Seit April 2017 arbeite ich also schon in Teilzeit, 20 Stunden. Während der Elternzeit habe ich mich in einem Krankenhaus beworben, das keine 5 Minuten mit dem Fahrrad entfernt war. Dort arbeite ich seitdem als Sozialarbeiter. Meine Chefin war sich zunächst unsicher, ob mir denn bewusst sei, dass es sich um eine halbe Stelle handelte. Anscheinend ging sie davon aus, dass Männer nur in Vollzeit arbeiten würden. So wie ich bisher auch davon ausgegangen war. Ich habe meine Denkmuster und Glaubenssätze über Bord geworfen oder zumindest neu justiert. Mein persönliches Umfeld reagierte von neugierig bis überrascht. Am erfreutesten waren meine Schwiegereltern, die den Wert für die Familie sofort erkannten.

Ich lebe viel entspannter als vorher. Ok, das stimmt nicht ganz, denn ich habe mittlerweile zwei Kinder und bin mit dem zweiten Kind noch für ein Jahr in Elternzeit. Aber die Entscheidung bereue ich keine Sekunde und würde sie immer wieder so treffen. Gerade für Paare, die beide einen sicheren Job haben, ist es ein Segen, in Teilzeit zu arbeiten. Es bleibt so viel Zeit für gemeinsame Aktivitäten, persönliche Interessen oder ehrenamtliches Engagement. Deshalb finde ich das New Work Modell so interessant. Es teilt die Arbeit in drei Bereiche auf. Lohnarbeit, persönliche Interesse und gesellschaftliches Engagement.

Bei jedem Entwicklungsschritt, den unsere Kinder gemacht haben, war ich dabei. Von 8 bis 12 Uhr habe ich gearbeitet und dann die Kinder betreut und begleitet. Habe sie emotional durch Wut, Schmerz und Angst begleitet, sie gewickelt und auf Töpfchen begleitet, ihnen den Popo sauber gemacht und Essen gekocht. Habe sie in den Schlaf begleitet und bin immer für sie ansprechbar, sichtbar und einfach da. An einer Hand kann ich die Tage abzählen, an denen wir nicht zusammen waren. Diese Zeit kann mir niemand nehmen und sie hat so viel mit mir gemacht. Ich bin daran unheimlich gewachsen und lerne von Tag zu Tag Neues hinzu.

Muss du dir aber auch leisten können

Ja, ich kenne die Bedenkenträger*innen, ich war selber einer. Das muss man sich auch leisten können, habe ich auch gedacht. Mittlerweile sage ich, dass wir es uns leisten wollen. Meine Frau arbeitet als Sprachtherapeutin und sie kann mit ihrem schmalen Gehalt (zur Erinnerung, ich bin Sozialarbeiter und wir beide verdienen gleich wenig) unser Leben finanzieren. Es ist letztendlich alles eine Frage von Einnahmen und Ausgaben. Ja, mir ist bewusst, dass ich aus einer weißen privilegierten Perspektive schreibe. Aber die Zahlen sprechen für sich.

Quelle: BMFSFJ Väterreport 2018 – Download

Von den Paarfamilien in Deutschland mit Kinder unter 18 Jahren arbeiten 85% der Väter in Vollzeit! Bei nur 5% der Paaren arbeiten Vater und Mutter in Teilzeit. In der Statistik wird gar nicht aufgeführt, wie hoch der Anteil der Väter ist, die gar nicht arbeiten und die Frau in Vollzeit. Ich bin irritiert wenn nicht sogar geschockt. Das ist ein Grund, warum ich hier schreibe! Wir sind meilenweit von gleichberechtigter Teilhabe in Familie und Beruf entfernt! Es braucht mehr Väter, die in Teilzeit arbeiten, um mehr Zeit für Familie und Partnerschaft zu haben. Und für sich. Und überhaupt.

Danke für diese Blogparade, Melanie. Sie hat mir noch einmal vergegenwärtigt, wie wertvoll und sinnvoll die Reduzierung der Lohnarbeit für mich ist. Abgesehen von den fehlenden Rentenpunkten sehe ich nur positive Aspekte an der Entscheidung. Abschließend möchte ich noch einen Aspekt aufgreifen, der hier zu kurz kommt. Care-Arbeit ist auch Arbeit und sollte vergütet und in der Rente berücksichtigt werden. Wichtige Forderungen stehen im Manifest auf equalcareday.de Bitte alle unterschreiben!

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