Lass dich nicht gehen, geh selbst!
Nur noch ein paar Wochen, dann beginnt der zweite Abschnitt meiner Elternzeit 2.0 – Eine Gelegenheit um zurück- und vorauszuschauen. Wie lief die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei Kind 1 und wie entwickelt es sich bei Kind 2?
Elternzeit 1.0 – 2015/2016
Einige Wochen vor der Geburt von K1 überrasche ich meinen damaligen Chef kurz vor Weihnachten mit der Nachricht, Elternzeit zu nehmen. Dass er nicht erfreut sein würde, hatte ich schon geahnt. Schließlich habe ich insgesamt sieben Monate angemeldet. Einen Monat ab Geburt und nach sieben Monaten die restlich verbleibenden sechs der insgesamt 14 Elternzeit-Monate. Mittlerweile mussten Arbeitnehmer*innen keine Elternzeit mehr beantragen sondern nur noch anmelden. Das wusste mein Chef anscheinend nicht und verweigerte mir die Zeit. Ich blieb hartnäckig und verwies auf die entsprechenden Gesetze. Von da an war nicht nur die berufliche sondern auch die private Ebene schwierig.
Die Arbeit fiel mir immer schwerer, was vor allem am kollegialen Klima lag. Inhaltlich war ich voller Tatendrang und wollte zusammen mit den ehrenamtlichen Jugendlichen viel bewegen. Ich arbeitete als Jugendbildungsreferent in einem Sportverband auf Landesebene. Ein Wechsel an der Spitze des Jugendverbandes stand bevor und ich hatte richtig Lust auf die kommenden Jahre. Sogar eine Vertreterin hatte ich für mein halbes Jahr Auszeit organisiert und sie musste nicht groß eingearbeitet werden. Denn eine Kollegin aus dem Team stockte einfach auf eine Vollzeitstelle auf. Die restlichen inhaltlichen Aufgaben übertrug ich an die Jugendlichen.
In meinem Bauch rumorte es jedoch gewaltig. Denn schon als Jugendlicher wollte ich Papa sein und für meine Kinder da sein. Das ging aber nicht in einem ehrenamtlich organisierten Sportverband. Zu oft gab es Sitzungen nach 18 Uhr bis weit in den Abend und Veranstaltungen von Freitagmorgen bis Sonntagabend. Also absolut nicht kompatibel mit Familienleben. Schließlich arbeitete meine Frau zu der Zeit 30 Stunden von Montag bis Freitag und alle paar Wochen für ein paar Stunden am Wochenende. Dass meine Frau Stunden reduzieren sollte, nur damit ich weiterhin arbeiten gehen kann, kam für mich nie in Frage.
Dass ich einigen mit dieser Ankündigung dermaßen vor den Kopf stoßen würde, hätte ich nicht gedacht. Mir kam es vor, als würde ich den Vätern, mit denen ich zusammen arbeitete, durch meine Ankündigung den Spiegel vorhalten. Dass dies nicht meine Absicht war, konnte ich nie wirklich auflösen. Zu festgefahren waren die zwischenmenschlichen Konflikte. Vielleicht fühlte sich mein Chef hintergangen oder von mir getäuscht, als wir über meine bevorstehende Vaterschaft sprachen. Ich wusste, wie er seine Vaterrolle ausfüllt, er wusste nicht, wie ich meine ausfüllen werde. Meine Erwartungen an Vaterschaft deckten sich jedenfalls nicht mit seinen. Er ist ein anderer Vater als ich es sein wollte. Das habe ich ihm so aber nie gesagt. Vielleicht aus Angst.
Somit war es auch nicht überraschend, dass ich gerne nach der Elternzeit von 40 Stunden auf 20 Stunden reduzieren wollte. Dies musste genehmigt werden und natürlich ein Ersatz gefunden werden. Die Genehmigung blieb aus. In einem ehrenamtlich geführten Sportverband sei es nicht möglich, halbtags Bildungsarbeit zu machen, wenn viele Sitzungen abends und Veranstaltungen über das Wochenende stattfinden. Wann sollte ich dann im Büro sein und arbeiten? Mit dieser Ankündigung ging ich schließlich im September 2017 in Elternzeit. Begleitet von Bauchschmerzen, Schlafstörungen und Kopfschmerzen.
Letztendlich und zum Glück konnte ich auf der Elternzeitreise doch sehr gut abschalten und hatte es sogar geschafft, ein paar Eindrücke zu verbloggen. Die Idee zu Vaterwelten entstand auf einem Campingplatz in Ronda, Spanien. Bis dahin dachte ich noch ganz fest daran, dass ich in meinen alten Job zurückkehren werde, da mit meine Arbeit mit den Jugendlichen sehr viel Spaß gemacht hatte. Und irgendwie würden wir auch für die Betreuung der Kleinen eine Lösung finden. Haben schließlich andere Eltern auch geschafft. Doch je mehr ich mich auf die Suche nach meinem inneren Vatersein machte, je mehr Gespräche ich mit meiner Frau über Elternsein führte, umso mehr wuchs in mir der Wunsch, nicht mehr zurückzukehren.
Kurz nachdem wir aus Spanien zurückgekehrt waren, kam meine Frau auf mich zu und sagte: „Du darfst kündigen. Es ist okay. Wir schaffen das gemeinsam. Du hast jedes Recht dazu, glücklich zu sein.“ – Wow, bäm. Das saß! Darüber musste ich erst eine Nacht schlafen und am nächsten Morgen wachte ich mit der inneren Überzeugung auf zu kündigen. Es fühlte sich verdammt gut an und alle meine Sorgen über das Geld, die Karriere, die falschen Glaubenssätze waren verflogen. In mir wuchs die Freude über die gewonnene Freiheit. Freiheit in meinem Kopf und die Selbstbestimmtheit, die ich so sehr für mich einfordere.
„Lass dich nicht gehen, geh selbst!“
Magda Bentrup
Zwei Wochen vor Weihnachten habe ich dann meinem Chef die Nachricht in einem persönlichen Gespräch überbracht. Mit starken Bauchschmerzen fuhr ich ins Büro. Herzrasen hatte ich bei dem Gedanken, die Kollegen zu sehen und ihnen wieder mit dem Spiegel zu begegnen. Es gab in der Geschäftsführung einen Wechsel, sodass ich mich dem neuen Chef nur kurz vorgestellt hatte, weil ich ja eh nicht wieder kommen würde. Er nahm die Kündigung entgegen und hätte gern mit mir weitergearbeitet. Der Rückweg nach Hause war pure Erleichterung. So sehr, dass ich im Auto weinen musste, weil eine große Belastung von meinen Schulter fiel. Mein Bauch entspannte sich und mein Kopf war plötzlich frei.
Elternzeit 2.0 – 2018/2019
Nach nicht einmal acht Wochen bewarb ich mich initiativ in einem Akutkrankenhaus als Klinischer Sozialarbeiter. Tatsächlich wurde ich eingeladen und für ein Jahr mit 20 Stunden Teilzeit befristet eingestellt. Meine Frau arbeitet ebenfalls dort und so konnten wir die Arbeitszeit untereinander aufteilen. Morgens arbeitete ich bis 12 Uhr und anschließend arbeitete sie bis 18 Uhr. Die Übergabe der Kleinen haben wir dann auf der Arbeit gemacht. Mein Vertrag wurde Ende 2017 entfristet und bereits Anfang 2018 waren wir wieder schwanger. Perfektes Timing. Jetzt wollte ich mit der Anmeldung der Elternzeit alles richtig machen. Die letzte Erfahrung bei K1 hatte mich schon ein wenig desillusioniert.
Also habe ich meine Chefin etwa ein halbes Jahr vor Entbindungstermin eingeweiht, dass ich eine lange Elternzeit plane und ihr bereits erste zeitliche Pläne vorgestellt. Zu meiner Überraschung reagierte sie positiv auf die Ankündigung und freute sich für mich. Im Spaß sagte sie zwar, dass sie extra einen Mann eingestellt hätte, um das zu vermeiden, warf mir aber gleich einen Zwinker zu und ich verstand sofort. In meinem Team haben alle Kinder und jeweils Zeit zu Hause verbracht. Teilweise Jahre oder haben in Teilzeit weitergearbeitet. Mein Anliegen stieß also auf große Begeisterung. Ein Mann bleibt freiwillig zu Hause. Keine Stimme war mir offen unwohl gesonnen. Vielmehr begegnete mir Lob und Anerkennung.
Getragen von diesen positiven Erlebnissen habe ich einen Monat ab Geburt Elternzeit genommen und werde ab Juni 2019 für weitere sieben Monate Elternzeit nehmen. Da ich noch sehr viele Überstunden und Urlaubstage habe, verabschiede ich mich bereits Ende März in Elternzeit. Die Stelle ist seit Januar ausgeschrieben und das Bewerbungsverfahren läuft bereits. Meine Kolleg*innen stehen hinter mir und unterstützen mich, wo sie können. Falls ich mal früher gehen muss oder später komme, halten sie mir den Rücken frei. Falls eines der Kinder krank ist, bleibe ich zu Hause.
Ich gehe gerne zur Arbeit und gehe noch lieber wieder nach Hause. Meine Kinder und meine Frau kennen mein Team und begegnen sich hin und wieder. Dabei fühlt sich die Arbeit im Krankenhaus an, wie eine große Familie. Wir sind Teil davon und ich fühle mich angekommen. Zumal der Job, den ich jetzt mache, haargenau mein Profil im Bachelor- und Masterstudium war. Deckel und Topf und so, ihr wisst was ich meine! Ich bin einfach nur dankbar und glücklich!
Diese kleine Geschichte zeigt mir nachhaltig, dass wir es selber in der Hand haben, glücklich zu sein. Wie Magda Bentrup sagt, müssen wir selber gehen. Die Selbstbestimmtheit über mein Leben, mein Glück und mein Denken und Handeln möchte ich stets bei mir wissen. Die Konsequenz meiner Kündigung zeigt mir, dass es richtig und wichtig war, diesen Schritt zu gehen. Zum Wohl meiner Familie und zum Wohl meines Selbstwertgefühls.
Danke! Es ist nicht selbstverständlich!
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